30 Jahre Tschernobyl:

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30 Jahre Tschernobyl: Gesundheitliche Auswirkungen der Katastrophe dramatischer als ursprünglich angenommen

Umweltstadträtin Sima und GLOBAL 2000 fordern Unterstützung für humanitäre Hilfsprojekte und Reform der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO).

30 Jahre nach Tschernobyl sind die Auswirkungen des schwersten Reaktorunfalls aller Zeiten noch lange nicht ausgestanden:
Eine neue, unabhängige wissenschaftliche Untersuchung der gesundheitlichen Auswirkungen des Tschernobyl-Super-GAUs kommt zum Ergebnis, dass in Summe mindestens 40.000 Todesfälle weltweit durch die Reaktorkatastrophe zu beklagen sein werden. „Die dramatischen Ergebnisse zeigen einmal mehr, wie totbringend die Atomkraft ist und daher kämpfen wir als Stadt Wien gemeinsam mit vielen NGOs für ein atomkraftfreies Mitteleuropa“, so Ulli Sima, Stadträtin für Umwelt und Wiener Stadtwerke. Reinhard Uhrig, Atomsprecher der österreichischen Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 ergänzt: „Auch 30 Jahre nach Tschernobyl sind die zerstörerischen Auswirkungen von Atomkraft spürbar. Nach Weißrussland war Österreich mit 13 Prozent seiner Gesamtfläche weltweit am zweitstärksten von der hohen Cäsium-Belastung (über 40.000 Zerfälle in der Sekunde pro Quadratmeter) vom Tschernobyl -Fallout betroffen, auch radioaktives Jod traf Österreich stark.“

Anlässlich des 30. Jahrestages der Katastrophe beauftragte die Wiener Umweltanwaltschaft, gemeinsam mit der österreichischen Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000, den renommierten britischen Radiologen, Dr. Ian Fairlie, mit einer Aktualisierung seiner Studie „The other report on Chernobyl“ zu den gesundheitlichen Folgen der Tschernobyl-Katastrophe, insbesondere zu den Auswirkungen auf Österreich. Die Ergebnisse machen die dramatischen Auswirkungen von Atomkraft sichtbar:

  • Langfristig werden 40.000 tödliche Krebserkrankungen prognostiziert
  • Fünf Millionen Menschen in Weißrussland, der Ukraine und Russland leben noch heute in radioaktiv hoch belasteten Regionen
  • 37 Prozent des Tschernobyl-Fallouts fielen auf Westeuropa, 42 Prozent der Fläche Westeuropas wurden über 4.000 radioaktive Zerfälle pro Quadratmeter kontaminiert (Österreich 83 Prozent)
  • Bisher wurden schon 6.000 Schilddrüsenkrebsfälle diagnostiziert, weitere 16.000 werden erwartet
  • Erhöhte Inzidenz von Leukämie, Herzkreislauferkrankungen und Brustkrebs registriert
  • Erhöhte Fehlbildungsrate bei Neugeborenen, vermehrt psychische Störungen und Diabetes
  • Kinder in verseuchten Gebieten sind häufiger krank
  • Besonders die Freisetzung von radioaktivem Jod 131 wird in der Studie zum ersten Mal in einen internationalen Kontext gestellt: die Ostregion Österreichs wurde in den Tagen nach dem 26. April 1986 stark von einer Wolke mit radioaktivem Jod getroffen, das sich in der Schilddrüse besonders von Kindern und Jugendlichen ablagert und dort Schilddrüsenkrebs verursachen kann. Die Auswirkungen zeigen sich laut dem Studienautor genauso deutlich wie in anderen betroffenen Regionen weltweit: Verstärkte Überwachung, Diagnose und medizinische Expositionen zu radioaktivem Jod sind teilweise die Ursache, aber acht bis 40 Prozent der erhöhten Schilddrüsenkrebsfälle in Österreich nach 1990 sind wahrscheinlich von Tschernobyl verursacht.

    „Dr. Fairlie empfiehlt weitere Untersuchungen, insbesondere auch zu den Schilddrüsenkrebsfällen in Österreich, um die Ursachen für den Anstieg und die Zusammenhänge mit der radioaktiven Freisetzung besser erforschen zu können“, sagt Dr. Reinhard Uhrig, Atom-Sprecher von GLOBAL 2000. „Dies hat riesige Implikationen für die Auswirkungen von radioaktiven Freisetzungen, z.B. im japanischen Fukushima, wo die Behörden und die Internationale Atomenergie-Organisation weiter leugnen, dass ein Zusammenhang zwischen Atomunfall und den über 160 bestätigten Schilddrüsenkrebsfällen besteht.“

Dr. Uhrig sieht wie Dr. Fairlie eine Unvereinbarkeit der Rolle der IAEO als „Wachhund“ für die Kontrolle militärischer Atomanlagen und – laut ihrer Statuten – gleichzeitige Werberin für die zivile Nutzung von Atomkraftwerken wie Tschernobyl-4 und Fukushima Daiichi. Dieser schizophrene Auftrag macht die Organisation blind für die katastrophalen Auswirkungen der Atomkraft. „Es ist jetzt an der Zeit, die verharmlosende Darstellung des Reaktorunglücks von Tschernobyl durch die IAEO zu überarbeiten, die immer noch von nur 52 direkten Todesfällen und in Summe weltweit 4.000 Toten ausgeht“, betont Uhrig.

GLOBAL 2000 startet daher eine Petition an die österreichische Bundesregierung, Reform-Schritte innerhalb der IAEO zu setzen. Hier geht’s zur Petition:

Quelle
Redaktionelle Adaption einer per APA-OTS verbreiteten Presseaussendung.