Gefahr für unser Wasser? Ein offener Brief des WWF an Rupprechter

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Offener Brief an BM DI Andrä Rupprechter

Sehr geehrter Herr Umweltminister!

Die Wasserrahmenrichtlinie ist neben der Flora-Fauna-Habitat – und der Vogelschutzrichtlinie eine der größten Umwelt- und Naturschutzerrungenschaften der Europäischen Union. Sie ermöglicht den Mitgliedstaaten eine nachhaltige Nutzung, den Schutz sowie die Wiederherstellung ihrer Gewässer. Diese Richtlinie sichert der europäischen Bevölkerung nicht nur eine der wertvollsten Lebensgrundlagen – nämlich einen intakten Wasserschatz – sondern schafft auch ausgewogene, auf gemeinsamen europäischen Standards basierende Wirtschafts- und Wettbewerbsbedingungen für Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft. Dies macht die EU-Wasserrahmenrichtlinie zu einer zentralen, der nachhaltigen Entwicklung Rechnung tragenden, Umweltrechtsnorm.

Der Vollzug europäischer Richtlinien führt immer wieder zu unterschiedlichen Interpretationen und eine Präzisierung der Auslegungsspielräume schafft oftmals erst der EuGH. So ist dies auch – längst überfällig – in der Rechtssache C-461/13 (Weser-Urteil) in Sachen “Verschlechterungsverbot” der Wasserrahmenrichtlinie geschehen. Als Umwelt- und Naturschutzverbände begrüßen wir diese Klärung, weil eine einheitliche Auslegung des Verschlechterungsverbotes in Europa in der Praxis nicht gegeben war. Auch in Österreich wurde das Verschlechterungsverbot sehr oft sehr weit interpretiert. Dies hat, wie im Fall des Naturjuwels der Schwarzen Sulm, auch zu entsprechenden unbefriedigenden Ergebnissen, bis hin zu einem Vertragsverletzungsverfahren geführt.
Sehr geehrter Herr Bundesminister, angesichts der wichtigen Rolle der Wasserrahmenrichtlinie für die Sicherung des österreichischen Wasserschatzes erscheinen uns Ihre Äußerungen in den Medien (etwa der Tiroler Tageszeitung vom 16. Juli 2015), in denen Sie das Verschlechterungsverbot als verbesserungswürdig bezeichnen und eine Initiative in Richtung EU Kommission ankündigen, als unangebracht. Vielmehr bitten wir Sie, als den in Österreich für Umwelt und Wasser zuständigen Bundesminister, für eine rasche Klarstellung und eine präzise Anweisung an die entsprechenden Behörden auf Bundes- und Landesebene zu sorgen, um eine rechtskonforme Umsetzung des Verschlechterungsverbotes im Sinne des oben genannten Urteils zu sorgen.

Wir erinnern in diesem Zusammenhang daran, dass es in Österreich bereits fünftausend Wasserkraftwerke gibt und das zur Verfügung stehende Wasserkraftpotenzial in Österreich bereits zu 70 % genützt wird. Zwei Drittel aller Fließgewässer befinden sich etwa in einem nicht zufriedenstellenden ökologischen Zustand. In Ihrem Heimatland Tirol werden pro Saison 40 Millionen Kubikmeter Kunstschnee erzeugt und auf Pisten aufgebracht; damit könnte eine vierspurige Autobahn von Wien bis Madrid einen Meter hoch mit Schnee bedeckt werden.
Die Energiewende ist in Österreich nicht mit dem Ausbau der Wasserkraft zu erreichen. Selbst der Totalausbau der Wasserkraft deckt nur den Stromverbrauchszuwachs weniger Jahre ab. Eine Abschwächung und Aufweichung der Wasserrahmenrichtlinie setzt damit nicht nur unseren Wasserschatz aufs Spiel, sondern wird auch keinen nennenswerten Beitrag zur Energiewende leisten.

Diese Fakten – und der von Ihrem Hause vorbereitete Nationale Gewässerbewirtschaftungsplan – belegen eindrucksvoll, dass unser Wasserschatz bereits stark genutzt wird, und dass diese Nutzungen zu einem insgesamt unbefriedigenden Zustand unserer Gewässer geführt haben. Einmal mehr wird – gerade auch für den Wasserkraftausbau -sichtbar, wie immanent wichtig eine von Ihrem Haus koordinierte strategische Planung bei der Nutzung und dem Schutz der heimischen Gewässer nach nationalen Kriterien und Standards wären.
In Zusammenhang mit dem Weser-Urteil sehen wir die Notwendigkeit der wohl verstärkten Anwendung des “Wasserkatalogs” beim Ausbau der Wasserkraft sowie den Bedarf einer Überprüfung, ob und in welchem Ausmaß Genehmigungsverfahren und andere Rechtsakte (etwa Rahmenpläne) erlassen wurden, die mit der Urteil des EuGH nicht im Einklang stehen und daher neu zu bewerten bzw. zu revidieren sind.

Hochachtungsvoll,

WWF Österreich / Mag. Christoph Walder
Österreicher Alpenverein / MMag. Liliana Dagostin
Umweltdachverband / Mag. Michael Proschek-Hauptmann

Quelle
Redaktionelle Adaption einer per APA-OTS verbreiteten Presseaussendung.