Scharfe Kritik der Opposition am Umgang mit dem Parlamentarismus

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Mit 106 von 173 gültigen Stimmen wurde heute Wolfgang Sobotka zum Nationalratspräsidenten ernannt.
Diese Wahl war notwendig geworden, da seine Vorgängerin Elisabeth Köstinger, die nur wenige Wochen dieses Amt inne hatte, zur Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus angelobt wurde. In der Sitzung wurden auch die Weichen für die Nachfolge des Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer gestellt; die dafür von der FPÖ nominierte Abgeordnete Anneliese Kitzmüller erhielt 102 Stimmen.

Während die VertreterInnen der Regierungsparteien voll des Lobes für ihre KandidatInnen waren und die Vorgangsweise verteidigten, übten die Oppositionsparteien scharfe Kritik. Dabei fielen Worte wie Rangierbahnhof, Machtspiele, Postenschacherei oder Missachtung des Parlaments. Zum Ausdruck gebracht wurde das Missfallen u.a. dadurch, dass im ersten Wahlgang für den nicht nominierten Karlheinz Kopf 65 Stimmen abgegeben wurden. Bei der Bestellung von Anneliese Kitzmüller wählten 34 Abgeordnete ungültig.

Die Regierungsbildung brachte es auch mit sich, dass neue Abgeordnete angelobt werden mussten. Neu im Hohen Haus sind nunmehr Johann Gudenus, Ricarda Berger, Alois Kainz und Christian Ries (alle FPÖ).

Kein guter Einstand für die Regierung aus Sicht der Opposition

Vor Eingang in die Tagesordnung entzündete sich noch eine kurze und heftige Geschäftsordnungsdebatte. SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder hielt es für inakzeptabel, dass das Bundesministeriengesetz mit Fristsetzungen durchgepeitscht wurde und sogar heute noch ein weiterer Abänderungsantrag vorgelegt wurde. Es sei kein guter Einstand für die Regierung, die neue Legislaturperiode mit parlamentarischen Tricks zu beginnen, beklagte auch Abgeordneter Peter Wittmann (SPÖ). Wenn man als Vorsitzender des Verfassungsausschusses daran gehindert werde, eine Sitzung zeitgerecht einzuberufen, dann könne man seinen gesetzlichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen, sagte er. Dies stelle einen vollkommenen Bruch mit allen bisher üblichen Usancen dar. Ähnlich urteilten Nikolaus Scherak (NEOS) und Peter Kolba (PILZ). Wenn man ein paar Stunden vor dem Ausschuss einen umfassenden Abänderungsantrag bekommt, sei ein seriöses Arbeiten nicht möglich.

Man habe das ganze Wochenende über intensiv gearbeitet und sich sehr bemüht, die Anträge rechtzeitig vorzulegen, entgegnete August Wöginger (ÖVP). Es handle sich bei den Wortmeldungen um reinen Theaterdonner, meinte Walter Rosenkranz (FPÖ).

Opposition: Unfreundlicher Empfang für Sobotka und Kitzmüller

Wenig Gefallen fand die Opposition dann auch daran, dass nach nur wenigen Wochen zwei Mitglieder des Nationalratspräsidiums neu gewählt werden mussten. Die ÖVP betrachte das so wichtige Amt des ersten Nationalratspräsidenten offenbar als einen “Parkplatz oder Rangierbahnhof für politische Funktionen”, übte Andreas Schieder (SPÖ) scharfe Kritik. Es sei klar sichtbar geworden, dass innerparteiliche Notwendigkeiten wichtiger sind als das Ansehen des Hohen Hauses. In dasselbe Horn stieß auch sein Fraktionskollege Peter Wittmann, der sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass ein verdienstvoller Parlamentarier nur aus “eventpolitischen Überlegungen” ausgetauscht wurde. Außerdem sei bei der Wahl von Elisabeth Köstinger von vornherein klar gewesen, dass sie diese Funktion nicht lange ausüben würde. Die SPÖ akzeptiere natürlich die Usance, dass den einzelnen Fraktionen Nominierungsrechte für das NR-Präsidium zustehen, hege aber – aus unterschiedlichen Gründen – eine große Skepsis gegenüber den zwei vorgeschlagenen Personen, konstatierte Schieder. Dies konkretisierte Wittmann, der Sobotka als einen Politiker bezeichnete, der in all seinen politischen Ämtern nur durch Polarisierung und Spaltung aufgefallen sei. Seiner Meinung nach sei er mitverantwortlich dafür gewesen, dass die Koalition zwischen SPÖ und ÖVP in die Luft gesprengt wurde. Und nur weil er bei dem “Minister-Rodeo” übrig geblieben sei, habe man ihn als neuen Nationalratspräsidenten vorgeschlagen. “Ich will kein Überbleibsel als Präsident”

schloss Wittmann.

Nikolaus Scherak (NEOS) zeigte sich enttäuscht darüber, dass Elisabeth Köstinger entgegen ihren Zusagen vor sechs Wochen nun doch aus dem Amt scheidet. Sie habe es damit geschafft, die kürzest dienende Nationalratspräsidentin seit 1920 zu werden und habe letztendlich das “Amt beschädigt”. Was den Respekt gegenüber dem Parlament betrifft, sei man damit auf einem Tiefpunkt angekommen. “Wir sind nicht die Anhängsel” oder die “verlängerte Werkbank der Bundesregierung”, sondern die Gesetzgebung, unterstrich Scherak mit Nachdruck. Da die NEOS dieses “unwürdige Schauspiel” nicht mittragen wollen, werde man auch heute wieder Karlheinz Kopf wählen, der zudem der Bestqualifizierteste für das Amt sei, kündigte Scherak an.

Der Klubobmann der Liste Pilz, Peter Kolba, will den früheren Innenminister Wolfgang Sobotka als neuen Nationalratspräsidenten akzeptieren – allerdings mit einem “Misstrauensvorschuss”. Man habe ihn nämlich in der Vergangenheit als jemanden erlebt, der für “law and order” sowie für eine Polarisierung der Gesellschaft steht. Andererseits müsse man anerkennen, dass Sobotka im Vorfeld der Wahl Gespräche mit allen Parteien gesucht habe. Er bestehe daher die Hoffnung, dass er bei der Ausübung seines Amtes eine Äquidistanz zu allen Fraktionen an den Tag legen und die Opposition nicht benachteiligen werde. Kritischer äußerte sich Kolba zu Anneliese Kitzmüller. Er kenne sie zwar persönlich nicht, aber Medienberichten sei zu entnehmen, dass sie in deutschnationalen Mädelschaften aktiv sei und altgermanisches Brauchtum hoch halte. Aufgrund dieser mangelnden Abgrenzung zu rechts-rechten Gruppen ist sie für ihn unwählbar.

RegierungsvertreterInnen appellieren an Einhaltung von Usancen

Seine Partei habe Wolfgang Sobotka vorgeschlagen, der “ein erfahrener, kompetenter und engagierter Politiker mit einem äußerst breiten Fachwissen ist”, erläuterte der neue ÖVP-Klubobmann August Wöginger. Seine beachtliche politische Laufbahn begann 1982 im Gemeinderat von Waidhofen an der Ybbs, führte ihn dann in die niederösterreichische Landesregierung und schließlich ins Innenressort. Eindrucksvoll sei aber auch Sobotkas Bildungsweg, denn er habe nicht nur Geschichte studiert, sondern auch Musik und Dirigieren am Brucknerkonversatorium. Schließlich habe sich nicht nur bei den Regierungsverhandlungen gezeigt, dass er ein Verbinder zwischen den einzelnen Interessen ist. Wolfgang Sobotka habe zudem immer wieder bewiesen, dass er bereit ist, zu lernen und sich neue Kompetenzen anzueignen, erinnerte Abgeordnete Gabriela Schwarz. Gerade in Krisenzeiten sei er ein Fels in der Brandung, der aber nie auf Alleingang setze; er habe daher ihr vollstes Vertrauen. Wöginger warb auch um Unterstützung für Anneliese Kitzmüller, die er als eine erfahrene Politikerin und geeignet für das Amt der Dritten Nationalratspräsidentin bezeichnete.

Wenig Verständnis für die Wortmeldungen der Oppositionsparteien zeigte FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz. Sowohl Wolfgang Sobotka als auch Anneliese Kitzmüller konnten vor einigen Wochen noch nicht wissen, ob sie Mitglieder einer Bundesregierung werden oder nicht. Es war weder absehbar, ob es zu einem positiven Abschluss der Koalitionsverhandlungen kommt, noch wie die einzelnen Ministerien aufgeteilt werden, argumentierte er. Was den Kandidaten der ÖVP betrifft, so verdiene es sich Sobotka, der auf sämtlichen Ebenen politisch tätig war und sein Handwerk wirklich versteht, das zweithöchste Amt im Staat einzunehmen. Ebenso hervorragend geeignet sei die oberösterreichische Familienpolitikerin Anneliese Kitzmüller, die seine Fraktion als Dritte NR-Präsidentin vorschlägt.

Die genauen Ergebnisse der beiden Wahlvorgänge

Auf Wolfgang Sobotka entfielen 106 Stimmen; von den insgesamt 177 abgegebenen Stimmen waren 173 gültig. In diesem Wahlgang entfielen auch 65 Stimmen auf Karheinz Kopf sowie auf zwei andere Personen. Vier Stimmen weniger – nämlich 102 – erhielt Anneliese Kitzmüller. Von den 176 abgegebenen waren jedoch nur 142 gültig. 7 Stimmen erhielt Robert Lugar, 33 entfielen auf andere Abgeordnete.

Ebenfalls befinden sich weiter Alte ÖVP Leute bei den Abgeordneten.

Liste Kurz: Eine einzige Mogelpackung.

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