Solidarität ist keine Einbahnstraße

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Bundeskanzler Faymann spricht sich im Interview mit dem Deutschlandfunk für starke gemeinsame europäische Lösungen in Sachen Flüchtlingskrise aus

Bundeskanzler Werner Faymann machte sich heute, Sonntag, im Interview mit dem Deutschlandfunk für eine gemeinsame europäische Vorgehensweise bei der Bewältigung der Flüchtlingssituation stark. Faymann stellte unmissverständlich klar, dass die Lösungen darin liegen, „mit gemeinsamen Ressourcen, mit gemeinsamer Verantwortung und gemeinsamen Standards bei Asylverfahren und der Unterbringung von Flüchtlingen zu agieren, anstatt sich wegzudrücken.“ Vor allem in der Frage nach der fairen Verteilung von Flüchtlingen fordert Faymann Solidarität ein: „Solidarität ist keine Einbahnstraße, sie gilt nicht nur bei Subventionen, sondern auch beim gemeinsamen Bewältigen der Flüchtlingssituation“, mahnte der Kanzler, der überzeugt ist, „dass das gemeinsame Europa nicht nur friedenspolitisch, sondern auch wirtschafts- und sozialpolitisch stärker ist, als das einzelne Land“.

Die Zahl der Flüchtlinge sei für viele so schwer verkraftbar, weil sie im Wesentlichen auf vier Länder verteilt werden, so Faymann. „Wenn auf vier Länder alle Flüchtlinge verteilt werden, statt auf 28, und wenn die Außengrenzen nicht gemeinsam so gesichert werden, dass jemand, der kein Asylrecht hat, erst gar nicht in die anderen Länder kommt, sondern das bereits an der Außengrenze in einem fairen Verfahren erfährt, bereitet das vielen Menschen Sorgen.“ Das sei Wasser auf den Mühlen rechter Nationalisten, sagte Faymann und verwies etwa auf die Wahlerfolge des rechtsnationalen Front National in Frankreich. „Rechte Nationalisten schüren Ängste und argumentieren mit den Vorurteilen der Bevölkerung. Das sind die falschen Antworten. Wir müssen überzeugen, dass wir stark genug sind, unsere Lösungen zu verwirklichen“, stellte Faymann klar.

Der Bundeskanzler lobte in Bezug auf die Flüchtlingssituation das Vorgehen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, des Vizekanzlers Sigmar Gabriel und der gesamten deutschen Bundesregierung: „Angela Merkel und die deutsche Bundesregierung beweisen in dieser schwierigen Situation Haltung. Sie haben in dieser schwierigen Zeit gezeigt, dass sie das Menschenrecht Asyl ernst nehmen und sich für europäische Lösungen einsetzen.“

Faymann sprach sich auch für eine Stärkung der europäischen Grenzschutzeinheit Frontex aus. Der Kanzler sieht es als Verpflichtung, Staaten an den Schengengrenzen, die alleine nicht in der Lage sind, die Grenze zu schützen, finanzielle und organisatorische Unterstützung anzubieten. Angesprochen darauf, ob Frontex auch ohne Zustimmung der betroffenen Staaten eingesetzt werden soll, wie von der EU-Kommission geplant, verwies Faymann darauf, dass sich diese Frage derzeit nicht stelle, da das einzige betroffene Land, Griechenland, deutlich darum ersucht habe, dass Frontex die Grenzsicherung vornimmt. „Ich sehe es als Angebot für eine Regierung und bin überzeugt davon, dass Griechenland dieses auch in Anspruch nehmen wird.“ Faymann fordert aber auch mehr Unterstützung für Frontex ein. Derzeit gebe es zu wenig Personal, keine Organisation bezüglich der Rückführung von Menschen ohne Asylrecht und von der EU nicht ausreichend Mittel für die Versorgung der Lager.

Zum Leitsystem in Spielfeld befragt, sagte der Bundeskanzler: „Wir haben die Verpflichtung, Kontrollen durchzuführen darüber, wer zu uns kommt. Kontrollen kann man nur durchführen, wenn man Kontrolleinrichtungen hat.“ Dabei gehe es nicht um die Reduzierung von Flüchtlingszahlen, denn das könne man nur, indem man an der Wurzel, etwa in Syrien oder den Flüchtlingslagern in den Nachbarländern aktiv wird. „Reduzieren kann man nicht in Spielfeld durch eine Kontrolleinrichtung“, betonte Faymann.

Gerade wenn es um den Krieg in Syrien oder die Terrorbekämpfung geht, sei ein internationales Vorgehen, auch zusammen mit Russland, die einzige Antwort. „Ich glaube nicht, dass ein einzelnes Land oder ein einzelne Verteidigungsgemeinschaft in der Lage ist, die Probleme dort zu lösen. Je breiter die Koalition ist, umso besser“, sagte Faymann.

Der Kanzler wurde im Interview auch auf die Rolle Saudi Arabiens angesprochen. „Ich habe in der Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien oft die Meinung geäußert, dass man sich ganz klar auch in Saudi-Arabien für Menschenrechte einsetzen muss und dass wir auch aufdecken müssen, wo es zu Terrorfinanzierungen kommt um sie damit aktiv zu verhindern“, betonte Faymann. Auch die Beziehungen zur Türkei und ein möglicher EU-Beitritt waren ein Thema. Dazu Faymann: „Aktuell ist vereinbart, die Diskussion mit der Türkei zu forcieren. Für eine Aufnahme in die EU müsste Österreich ein Referendum abhalten. Ich sehe die Aufnahme weit weg.“ Die intensive Diskussion sei nötig, weil die Türkei ein direkter Nachbar ist, und man „immer gut daran tut, mit seinen Nachbarn in einen Dialog zu treten“. Für Faymann steht aber auch fest: „Wir können nicht sagen, wir reden über Grenzsicherung, aber nicht über gemeinsame Wertehaltungen, Pressefreiheit oder wirtschaftliche Beziehungen.“

Nach dem Stand der Sozialdemokratie in Europa befragt, sagte Faymann:
„Die Sozialdemokratie trifft mit ihren Antworten zu Verteilungsgerechtigkeit und einer menschenwürdigen sozialen Gesellschaft den Nagel auf den Kopf. Jetzt geht es darum, zu beweisen, dass wir auch stark genug sind, das gemeinsam durchzusetzen. Wir können nur Erfolg haben, wenn wir zeigen, dass wir für europäische Lösungen stehen und nicht einem Politikkonzept des Hasses und des Gegeneinanders verschrieben sind.“

Quelle
Redaktionelle Adaption einer per APA-OTS verbreiteten Presseaussendung.