Noch kurz vor Jahresende konstituierte sich unter Beteiligung der Stadt Wien eine der ersten neuen Städtepartnerschaften der EU, mit denen die „EU-Städteagenda“ ab 2016 mit Leben erfüllt werden soll. Sie ist dem sozialen Wohnbaus in Europa gewidmet. Wohnbaustadtrat Michael Ludwig sieht darin einen wichtigen Schritt und insbesondere auch eine Bestätigung der Wiener Initiativen der letzten Jahre: „Unsere langjährigen Bemühungen für leistbares und nachhaltiges Wohnen zeigen nun Wirkung. Mit dieser neuen Städtepartnerschaft haben wir erstmals die Chance, sowohl die rechtlichen als auch die finanziellen Rahmenbedingungen für den sozialen Wohnbau auf EU-Ebene zu überprüfen und zu verändern.“ Der soziale Wohnbau sei quer durch Europa vielfältig und historisch gewachsen, es gäbe viele Modelle auf lokaler und regionaler Ebene, „diese Vielfalt ist zu erhalten, abzusichern und noch auszubauen. Darüber hinaus geht es nicht an, dass ein Viertel der EuropäerInnen etwa 40 Prozent des Einkommens für das Wohnen aufwenden. Das schadet dem Konsum und damit der Wirtschaft“.
Selbstbestimmungsrecht der Städte stärken Das Selbstbestimmungsrecht der Städte im sozialen Wohnbau sei in den letzten Jahren durch Angriffe institutioneller Immobilieninvestoren zunehmend gefährdet worden, erinnerte der Wohnbaustadtrat, „die Unsicherheit ist dadurch so groß, dass – außer in Wien – EU-weit kaum noch neu gebaut wird, weder von Privaten noch von Gemeinnützigen“. Wien ist hier gemeinsam mit anderen großen Städten, in Städtenetzwerken und mit Partnerorganisationen wie dem Internationalen Mieterbund und Housing Europe schon seit 2013 aktiv und hat die Europäische Kommission mehrfach aufgefordert, die subsidiaritätswidrigen Bestimmungen im Beihilfenrecht zu ändern, die den sozialen Wohnbau einschränken, wie etwa in der Resolution der europäischen BürgermeisterInnen auf Initiative von Bürgermeister Häupl. „Genauso wichtig ist es aber, die Finanzierungsbedingungen zu hinterfragen – Investitionen in den sozialen Wohnbau sind langfristig wirksam, gut für die Menschen und die Wirtschaft und daher aus den Defizitkriterien auszunehmen“, Ludwig begrüßte daher die Möglichkeit, dies zum ersten Mal ernsthaft aus Städtesicht mit ExpertInnen aus ganz Europa zu diskutieren und das „Wiener Modell des sozialen und leistbaren Wohnbaus“ einzubringen. Dazu gehöre auch, mögliche Risiken aus Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA für den sozialen Wohnbau anzusprechen, die Rolle der Europäischen Investitionsbank und des Juncker-Investitionspakets zu betrachten
und den Zusammenhang zwischen Wohnen, sozialem Frieden und Wirtschaftswachstum europaweit besser zu erforschen.
EU-Städtepartnerschaft „Wohnen“ Die EU-Städteagenda wurde im Jahr 2014 von der EU-Kommission vorgeschlagen und soll ab 2016 in Form von 12 EU-Städtepartnerschaften umgesetzt werden. In diesen „urban partnerships“ werden für Städte wichtige Themen gemeinsam mit den EU-Institutionen, den Mitgliedstaaten, Städten und wichtigen Stakeholdern kritisch analysiert, um Vorschläge zur Verbesserung im Bereich der Rechtssetzung und der Finanzierungsbedingungen zu entwickeln. Die ersten vier Partnerschaften werden den Themen Wohnen, Luftqualität, städtische Armut und Migration/Integration gewidmet sein. Sie werden drei Jahre lang intensiv arbeiten, um Änderungen im legislativen und finanztechnischen Bereich vorzubereiten. In der EU-Städtepartnerschaft „Wohnen“ ist die Stadt Wien durch die international anerkannte Wohnbauexpertin Susanne Bauer von der MA 50-Wohnbauforschung, die Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Housing“ des Städtenetzwerks Eurocities ist, sowie die Leiterin des Verbindungsbüros der Stadt Wien zur EU, Michaela Kauer, als Expertin für Städtepolitik auf EU-Ebene vertreten. Die Koordination der Partnerschaft hat die Slowakei übernommen. Neben
der Europäischen Kommission und der Europäischen Investitionsbank sind auch der Internationale Mieterbund, Housing Europe sowie weitere Städte und Städtenetzwerke Mitglied. Die erste Arbeitssitzung fand am 16.12.2015 in Genf am Rande einer Tagung des Komitees für Wohnbau und Landmanagement der Europakommission der Vereinten Nationen statt. Dabei wurden vor allem die Themenstellungen aus Sicht aller Partner und die weitere Arbeitsweise vereinbart.
Wien-Haus Brüssel und Internationaler Mieterbund lieferten Blaupause für EU-Städtepartnerschaft Wohnen Bereits zuvor, am 13. November 2015 fand im Wien-Haus in Brüssel ein Workshop zum Thema “Future challenges of social housing in Europe” statt. Daran nahmen 35 hochkarätige Expertinnen aus den Bereichen des öffentlichen, sozialen und privaten Wohnbausektors sowie Vertreterinnen und Vertreter der Europäischen Kommission, des Europäischen Rats und verschiedener Institutionen des Finanzbereichs teil. In intensiven Sitzungen wurden rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen für den sozialen Wohnbau in Europa erörtert und Verbesserungsvorschläge entwickelt. „Die VertreterInnen von Rat und Kommission versicherten uns danach, dass wir damit die Blaupause für die erste Städtepartnerschaft der EU zum Thema
Wohnen geliefert haben. Hier treffen unsere Kompetenz im sozialen Wohnbau und unsere Bemühungen um eine stärkere Berücksichtigung der Städte auf EU-Ebene aufeinander“ informierte die Leiterin des Wien-Hauses, Michaela Kauer, „alle wichtigen Themen finden sich in den Vorschlägen für die weitere Arbeit wieder.“ Barbara Steenbergen, Leiterin des Brüssel-Büros des Internationalen Mieterbunds betonte, „dass damit der erste Schritt zu einer echten, direkten Zusammenarbeit zwischen Städten, Stakeholdern und der EU gelungen ist. Das Wiener Modell des sozialen Wohnbaus ist ein Vorbild, an dem die EU nicht vorbei kann“. nen-workshop.html
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