Wenn man nach Tschernobyl googelt stellt man fest das jeder Beitrag über das furchtbare Unglück sich zu Beginn gleicht: er beginnt mit dem Datum 26.April 1986 und listet von der mißglückten Simulation ausgehend den weiteren Verlauf der bis dahin grössten nuklearen Katastrophe auf. Bis die damals noch Sowjetischen Verantwortlichen den SUPER-GAU zugaben verstrich wertvolle Zeit und die Radioaktive Wolke trieb über alle Grenzen auch in unsere Richtung.
Wobei, was schützte schon wirklich? Die Ratschläge wie Fenster zumachen und nicht draussen herumlaufen. Wer damals zufällig die Begriffe “Becquerel”, “Cäsium” usw. kannte, der stellte sich auf eine “Halbwertszeit” von Jahrzehnten ein. In dem Fall redete man von 30 Jahren Halbwertszeit, dh. wir sind nahe an der Halbzeit des grausamen Spiels dran.
Österreich gehörte zu den am meisten betroffenen Ländern Westeuropas und dennoch lief es für uns noch glimpflich ab, im Gegensatz zu der Todeszone rund um den Reaktor welcher später mit dem so treffend bezeichneten Sarkophag eingehüllt wurde.
Aber auch da galten viele Gemüse und Wildbret lange als kontaminiert: “Wegschmeissen!” rieten die Experten.
Wir waren voller Pläne für die Zukunft
Doch ich will hier nicht soviel über das wahrscheinlich jeden bekannte Unglück schreiben, alles ist viele tausende Male beschrieben worden, wer mehr wissen will schaut zB. in den Wikipedia Eintrag rein, oder wo auch immer.
29 Jahre, also ein gutes Menschenleben ist es her, somit gibt es genug Erwachsene die damals noch nicht auf der Welt waren. Nur leider, 2011 wiederholte sich die Geschichte in Japan und wer weiß wo noch, wo es vertuscht wurde.
Ich will hier mehr über den “Day After”, über die persönlichen Eindrücke, die für uns resultierenden Folgen, schreiben.
Immerhin war der Tag danach eher der mit den grössten Schrecken, denn wir erfuhren es erst relativ spät. Zuvor mussten sich die Sowjets ja noch lange in Schweigen hüllen und als sie es zugaben war die Wolke eigentlich über Österreich!
Ich kann mich noch erinnern, wir waren damals gerade etwas über 20 Jahre, hatten uns einen jungen Hund vom Tierheim geholt und versuchten unser Leben aufzubauen, das alte Häuschen zu Renovieren.
Der Garten war fertig, wir hatten viel Fläche und konnten zumindest mit den vegetarischen Schätzen der Erde auf Selbstversorgung umstellen. Wir bauten alles kreuz und quer an, “Mischkultur” nannten wir es und es klappte! Keine Pestizide, nichts war nötig.
Salat, Erdäpfel, Zwiebel, Bohnen, … Kräuter uvam. gedieh all die Jahre bestens und schmeckte unvergleichlich. Das selber angebaute ist doch immer das Beste!
Nebenbei Häuschen herrichten und an der Karriere feilen, einige selbständige Projekte hatten wir geplant und schon begonnen…
Am Tag des Unglücks änderte sich alles
Wir liebten die Natur schon immer und an diesen milden Frühlingstag gingen wir mit Hund “Dino” in den Wald spazieren, kamen auch in einen leichten Regen, ach wie schön kann alles sein…
Nachmittags kam ein Freund zu uns und erzählte aufgeregt von den unglaublichen Meldungen die soeben im Fernsehen kamen. Sofort drehte man die Kiste auf und dort redete ein ORF Sprecher eben von dem “SUPER-GAU”, überstürzte sich mit Fachausdrücken und dann kamen die grausamen Bilder.
Der Rest ist Geschichte – doch wie ging es für uns weiter?
Nun, alles wurde anders:
All das angebaute im Garten mussten wir verrotten lassen, man traut sich nicht mehr raus, man fragte sich was man wohl alles an Radioaktivität abbekommen hat während des Spaziergangs unter der sich abregnenden Wolke? (Erst sehr viel später bekamen wir beide Probleme mit der Schilddrüse, mir wurde 2004 gar eine Ei-grosser Knoten entfernt).
Später, nach dem ersten Schock war für uns klar: Wir werden fortan im Dienste des Umweltschutzes arbeiten!
Alle anderen Pläne warf man über den Haufen, zu den Salaten, und Radischen auf den Misthaufen. Denn wer weiß wie lange man noch hat auf so einer Welt? Wir werden ab sofort einfach für unsere, nun ins Extreme hochgefahrene Einstellung arbeiten, egal was man dafür kriegt.
Gesagt, Getan, wir wurden Mitglied in allen namhaften Vereinigungen wie Greenpeace, GLOBAL 2000, WWF, 4 Pfoten, uvam., gründeten selbst einen Tierschutzverein. Es folgten Demos gegen AKWs, Tierversuche und Umweltverschmutzer bis zum Abwinken oder bis zu der Auflösung, sogar die COBRA kam einmal.
Umweltschutz und Beruf verbinden?
Während die Experten immer noch weltweit diskutierten, gingen wir schon den nächsten Schritt: Denn es ward Ebbe in der Kasse… Also warum nicht Umweltschutz und Beruf verbinden?
Wir erfanden ein Berufsbild eines “kommunal tätigen Managers für Umweltschutz” und reichten es beim Landes-Arbeitsamt ein. Einige Zeit später startete ein AMS Projekt aus dem später die “Umweltberater” wurden. Es war zu 100% UNSER Konzept! Und wir übernahmen die Projektarbeit im südlichen NÖ. Aber wie das vonstatten ging und was für uns draus wurde ist eine andere, lange Story – und soll ein andermal erzählt werden. Nur soviel: Wir hatten nichts von Idee und Projektarbeit, andere sitzen bis heute in den von uns ausgesuchten Büros… Egal, ist vorbei…
Jahre später waren einige weitere, ähnliche Projekte an dem Starrsinn und der Falschheit der Behörden gescheitert. Also ging man zum “normalen ” Berufsleben über; Tschernobyl rückte aus dem Fokus der Medien und aus dem eigenen Leben. Man lebte zwar nach dem Umweltschutz-Prinzip, aber mehr nicht.
Erst 2010/11, als die deutsche Bundeskanzlerin und ihre geldgierigen Parteigenossen, samt der Atomlobby wieder über den verstärkten Einsatz von AKW´s laut nachdachte – gab es wieder ein Zeichen: Fukushima…