Zugunglück Bad Aibling: Systemische Sicherheitsmängel?

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vida-Hebenstreit fordert einheitliche Ausbildungsstandards in europäischen Bahnunternehmen – Kritik an EU-Kommission

„Beim Zugunglück in Bayern wird man sich genau anschauen müssen, ob die erforderlichen technischen und organisatorischen Sicherungsmaßnahmen ausreichend waren“, erklärt Roman Hebenstreit, Vorsitzender des Fachbereichs Eisenbahn in der Gewerkschaft vida, zum tragischen Bahnunfall in Bad Aibling. „Traurigerweise sind es immer große Katastrophen, die die Öffentlichkeit Fragen nach ausreichender Sicherheit in Europas Bahnnetzen stellen lassen“, betont der Gewerkschafter.

Vorschnell die Schuld auf einen einzelnen Mitarbeiter abzuwälzen sei jedenfalls der falsche Weg. Auch die deutsche Polizei spricht in diesem Zusammenhang von „reiner Spekulation“. Jetzt gelte es, die Untersuchungsergebnisse zur Unfallursache abzuwarten. „Es muss genau überprüft werden, ob hier nicht systemische Sicherheitsmängel vorliegen“, betont Hebenstreit. Das Grundprinzip im Eisenbahnwesen laute schließlich: „Ein Fehler eines Einzelnen darf nicht zur Katastrophe führen“. Der Eisenbahnverkehr hat sich daher für einen sicheren Betrieb und zum Schutz gegen den „Fehlerfaktor Mensch“ schon seit jeher einer Vielzahl technischer Sicherungsmaßnahmen bedient. Wie es beim Unfall in Bad Aibling dazu kommen konnte, dass all diese Mechanismen versagt haben, müsse nun die Unfalluntersuchung ergeben.

Die Eisenbahn ist eine „industrialisierte Form des Verkehrs“, wie etwa auch das Luftverkehrswesen, erklärt Hebenstreit. Dies bedeute ein arbeitsteiliges Zusammenwirken von zwei oder mehr Personen im Betrieb (z.B. Triebfahrzeugführer – Fahrdienstleiter oder Verkehrspilot und Fluglotse), der Führer des Fahrzeuges verfügt immer nur über einen Teil der notwendigen Informationen. Umso wichtiger ist deshalb eine fundierte Ausbildung der Mitarbeiter in sicherheitsrelevanten Bereichen.

Österreich ist Vorreiter bei Ausbildungsstandards

„Im Bereich der Ausbildung von Bahnpersonal nimmt Österreich eine Vorreiterrolle ein“, lobt Hebenstreit die vom BMVIT erlassene Eisenbahn-Eignungs- und Prüfungsverordnung (EisEPV), welche am 1. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Diese stellt sicher, dass EisenbahnerInnen, die sicherheitsrelevante Tätigkeiten ausüben, eine einheitliche Ausbildung nach klar definierten Regeln erhalten. Zudem sind auch die Anforderungen, welche die AusbildnerInnen und PrüferInnen in allen Eisenbahnunternehmen zu erfüllen haben, festgelegt.

EU-Kommission untergräbt Qualität und Sicherheit

Auf europäischer Ebene sieht die Sache jedoch anders aus: „Die bisherigen Aktivitäten der Europäischen Kommission gehen hier leider den genau gegenteiligen Weg“, kritisiert Hebenstreit. Die Liberalisierung werde weiter vorangetrieben und somit auch der Kosten- und Leistungsdruck auf Mitarbeiter und Management erhöht. „Einheitliche Ausbildungsstandards, etwa für einen Fahrdienstleiter, sucht man hingegen vergebens“, betont der Gewerkschafter. Während man im Straßenverkehr über die Ausweitung von Führerschein-Probezeiten diskutiere, versucht die European Railway Agency (ERA), die Anforderungen an Grundqualifikation beim Triebfahrzeugführer auf Pflichtschulniveau zu senken, kritisiert Hebenstreit.

„Ich fordere einheitliche, modulare Ausbildungen im europäischen Eisenbahnwesen, wie dies etwa auch in der Luftfahrt der Fall ist“, so Hebenstreit. „Ich halte überhaupt nichts davon, dass Unter-20-jährige bereits einen voll besetzten Schnellzug steuern dürfen sollen“, so der Gewerkschafter. Auch sollte man meinen, dass technische Überprüfungen überall dasselbe Niveau haben – Wie dies jedoch ohne normierte Ausbildung des Prüfpersonals sichergestellt werden soll, ist fraglich. „Wir brauchen daher rasch eine Vereinheitlichung der Ausbildungsstandards. Und die muss sich am höchsten Niveau orientieren“, so Hebenstreit abschließend.

Quelle
Redaktionelle Adaption einer per APA-OTS verbreiteten Presseaussendung.