Schandlöhne, Abgabenbetrug, keine Gewährleistung: Ausländische Anbieter nehmen der heimischen Bau- und Transportwirtschaft mit Billigstangeboten die Aufträge weg.
Von 273 im Jahr 2015 in Kärnten tätigen ausländischen Betrieben haben sich 234 nicht an die sozial- und abgabenrechtlichen Bestimmungen gehalten. Diese Horrorzahlen gab heute der Leiter der Finanzpolizei in Kärnten und der Steiermark, Rigobert Rainer, bei einem gemeinsamen Pressegespräch mit Wirtschaftskammerpräsident Jürgen Mandl und dem Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk, Klaus Peter Kronlechner, bekannt. Obwohl nur acht Prozent der Kontrollen der Finanzpolizei auf diesen Bereich entfallen, machen sie mehr als 50 Prozent der gesamten Strafanträge aus. Rainer: „Das hat massive Auswirkungen auf die heimischen Betriebe, denen die Aufträge abgehen, und auf den Fiskus, dem die Steuereinnahmen fehlen.“
Eine Entwicklung, die auch WK-Präsident Jürgen Mandl nicht tatenlos hinnehmen will: „Die Märkte sind hart umkämpft, und es tut unendlich weh, wenn man als Unternehmer dem Wettbewerb nicht mit fairen Mitteln begegnen kann.“ Dies gilt auch für die transportierende Wirtschaft, wenn slowenische Frächter ohne Beachtung der EU-weit geltenden Kabotagebestimmungen in Österreich Transportdienstleistungen erbringen. Man werde allerdings deshalb nicht die sozialen Standards nach unten drehen und die Mitarbeiter auch weiterhin adäquat entlohnen, versicherte Mandl: „Drei Euro Stundenlohn, die die ausländischen Arbeitnehmer hier oft bekommen – das entspricht nicht unserer Kultur und Umgebung.“
Die Auswirkungen dieses unfairen Wettbewerbs sind aber dramatisch, betont Spartenobmann Kronlechner: „Leider sind die heimischen Betriebe auf Grund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen gegenüber den ausländischen Mitbewerbern extrem benachteiligt. Vor allem in Grenzregionen verzeichnen bauschaffende Betriebe Umsatzrückgänge bis zu 50 Prozent. Umgekehrt müssen unsere Firmen, wenn sie beispielsweise nach Ungarn oder Slowenien Dienstleistungen erbringen, umfangreiche Vorschriften beachten. Das kann zum Abbau weiterer Arbeitsplätze und zu einem massiven Kaufkraftverlust führen.“ Dieser Trend trifft den Arbeitsmarkt zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt:
Noch nie seit 1988 – dem Beginn der verfügbaren Aufzeichnungen – waren in Kärnten im Dezember so viele Menschen arbeitslos. 32.436 Kärntnerinnen und Kärntner waren laut AMS Statistik mit Jahresende als Arbeit suchend gemeldet. Davon waren im Dezember speziell in der Bauwirtschaft über 6.500 Personen ohne Beschäftigung.
Finanzpolizei und Wirtschaftskammer wollen auf diese Missstände nun mit einer gemeinsamen „Aktion scharf“ reagieren. Während die WK mit einer Informationsoffensive auch in den jeweiligen Landessprachen die ausländischen Betriebe über die rechtliche Situation in Österreich aufklären wird, setzt Finanzpolizei-Chef Rainer auf repressive Betrugsbekämpfung: „Wir werden sicherstellen, dass die heimischen Betriebe gleiche Voraussetzungen im Wettbewerb haben.“ Dazu filtert die Finanzpolizei Risikofälle aus den 114.000 ausländischen Unternehmen, die sich in den beiden vergangenen Jahren gemäß dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) der Zentralen Koordinationsstelle (ZKO) für die Kontrolle illegaler Arbeitnehmerbeschäftigung des Bundesministeriums für Finanzen gemeldet haben. Zusätzlich werden in den kommenden Monaten entsprechende Firmenfahrzeuge an allen Kärntner Grenzübergängen penibel kontrolliert, ob die Tätigkeit ordnungsgemäß angemeldet wurde. Weitere Kontrollen auf den entsprechenden Baustellen sind ebenfalls geplant. Die Folgen für ausländische Unternehmen, die gegen das AVRAG oder das Lohn- und Sozialdumpinggesetz verstoßen, können gravierend sein, unterstreicht Rainer: „Seit einer Gesetzesnovelle im vergangenen September ist die Finanzpolizei berechtigt, im Falle von Gesetzesverstößen auch Geräte zu beschlagnahmen und Sicherheitsleistungen – also Bargeld – einzuheben.“
Die Aktion richtet sich gegen ausführende ausländische Firmen, nicht gegen deren inländische Auftraggeber. Die könnten aber mit einem vermeintlichen Billigangebot schon genug gestraft sein, warnt Mandl:
„Die angeblich günstigen Preise im Vergleich zur heimischen Wertarbeit entstehen meist aus mangelnder Qualität bei Material und Ausführung und durch die fehlende Gewährleistung. Mängel treten oft erst nach Jahren auf, und einen Gewährleistungsprozess in einem der Herkunftsländer durchzusetzen – da wünsche ich jeder privaten Kundschaft viel Glück.“