Gefährlich: Kirche wirkt in Politik

Bibel
Tatort Kirche: Bild pixabay, mon. Zeit im Blick

„Adventliches Gebet“: ÖVP und Katholische Kirche vereinnahmen gemeinsam das Österreichische Parlament

Initiative bietet Schönborn und Chalupka Bibelnachhilfe an

Nach Teilnahmeabsagen und einer Klarstellung seitens der 2. Nationalratspräsidentin, steht es nun fest: das für Morgen (8.12.) angekündigte parlamentarische „Adventliche Gebet“ ist nichts mehr eine von der ÖVP und der Katholischen Kirche orchestrierte Vereinnahmung des Österreichischen Parlaments. Hinterfragungswürdig ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Rolle Wolfgang Sobotkas. „An der Präsidialkonferenz vorbei, unter Missbrauch des ihm zustehenden Hausrechts und unter Verletzung seiner Verpflichtung, das Ansehen des Parlaments zu wahren, hat der Nationalratspräsident diese kirchliche Veranstaltung dem Österreichischen Parlament untergejubelt. 87 Jahre nachdem die Vorgängerorganisation der ÖVP mit kirchlicher Unterstützung das Parlament ausgeschaltet hat, hebt der Politische Katholizismus in Österreich sein hässliches Haupt und greift – vorerst noch zaghaft – nach der Macht. Dieses rein politisch motivierte Gebet von Akteuren, die auch ein klares, erzkonservatives Programm vertreten, wäre vielleicht im polnischen Parlament zu erwarten, in Österreich hat es aber nichts verloren“, meint Eytan Reif von der „Initiative Religion ist Privatsache“. Sehr kritisch sieht auch der ehemalige Abgeordnete z. NR und Gründer der Laizismus-Initiative Niko Alm das „Adventliche Gebet“, das über der Parlamentshomepage per Livestream übertragen werden soll: „Staatliche Einrichtungen unterliegen einem weltanschaulich-religiösen Identifikationsverbot, das an vielen Stellen noch immer politisch unterlaufen wird. Republik und Religion sind in Österreich nach wie vor weder institutionell noch geistig getrennt“, so Alm.

Als besonderen Dienst an den katholischen Kardinal Christoph Schönborn und den evangelischen Bischof Michael Chalupka, die an dieser demonstrativen Gebetsveranstaltung der ÖVP teilnehmen werden, gibt hiermit die „Initiative Religion ist Privatsache“ – ausnahmsweise – das angebliche Wort Jesu wieder:

„Wenn ihr betet, macht es nicht wie die Heuchler. Sie stellen sich beim Gebet gern in die Synagogen und an die Straßenecken, damit sie von den Leuten gesehen werden. Amen, das sage ich euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten. Du aber geh in deine Kammer, wenn du betest, und schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.“ (Mt 6,5-6)

„Adventliche Gebetsfeier“: NR-Präsident und christlich-fundamentalistische Aktivisten vereinnahmen Parlament

Auch Teilnahme des Parlaments an kirchlicher „Red Wednesday“-Aktion wird rechtlich überprüft

Während sich die Zweite Republik inmitten der schlimmsten Krise ihrer Geschichte befindet, intensivieren christlich-fundamentalistische Aktivisten und erzkonservative Politiker ihre Bemühungen, das Österreichische Parlament für ihre Zwecke zu vereinnahmen. So plant das selbsternannte „Komitee des Nationalen Parlamentarischen Gebetsfrühstücks“ am 8. Dezember, unter dem vorgeschobenen Credo „Hoffnung in der Krise“, eine religiöse Veranstaltung abzuhalten bei gleichzeitigem Vortäuschen einer Schirmherrschaft des Österreichischen Parlaments. Zu diesem Zweck tragen die Einladungen zur Gebetsfeier das offizielle Emblem des Österreichischen Parlaments sowie die dazugehörige Überschrift „Republik Österreich – Parlament“. Eine Schlüsselrolle bei der Vortäuschung dieser Schirmherrschaft des Österreichischen Parlaments für eine religiöse Veranstaltung, spielt Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka. Infolge seiner Intervention – die seitens der Parlamentsdirektion keine Deckung erhalten hat – wird die Veranstaltung nicht nur über die Parlamentskorrespondenz beworben; sie wird zusätzlich per Livestream über die Parlamentshomepage übertragen werden.

„Dieser Gebetsaktionismus stellt zwar einen perfiden Versuch der religiösen Vereinnahmung der wichtigsten Institution der österreichischen Demokratie dar, er soll aber nicht isoliert betrachtet werden. Sie ist Teil einer neuartigen Kooperation zwischen der Katholischen Kirche auf der einen Seite und Vertretern einer konservativ-reaktionären Politik auf der anderen Seite“, meint Eytan Reif, Sprecher der „Initiative Religion ist Privatsache“. Besorgniserregend ist laut Reif insbesondere die zunehmend wichtige Rolle, die fundamentalistische und charismatische Kräfte im christlichen Lager bei dieser Entwicklung spielen: „Es ist kein Zufall, dass im ‚Komitee des Nationalen Parlamentarischen Gebetsfrühstücks‘ die prononciertesten Abtreibungsgegner bzw. Lobbyisten der Katholischen Kirche zu finden sind. Für sie gilt keine liberale Sachpolitik, sondern das polnische zunehmend christlich-autoritäre Regierungsmodell als Vorbild“. Sehr kritisch betrachtet Reif zudem die Rolle Sobotkas beim gegenwärtigen Geschehen. „Es steht jeder Personengruppe in Österreich frei, religiöse Veranstaltungen nach Belieben privat abzuhalten. Das Österreichische Parlament ist hingegen das Herz der österreichischen Demokratie. Es steht keinem Nationalratspräsidenten zu, diese Institution zu einem Gebetshaus zu degradieren und dabei seine eigenen politischen oder persönlichen Agenden auf Kosten des Ansehens dieses Hauses zu bedienen“. Laut Reif lässt die Initiative derzeit prüfen, ob Vorgehensweise Sobotkas – sowie die erstmalige Teilnahme des Österreichischen Parlaments an der kirchlichen ‚Red-Wednesday‘-Aktion vor zwei Wochen – rechtlich gedeckt sind.

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