SPÖ: Mautbefreiung bringt „Fleckerlteppich“ und das Gegenteil von Klimaschutz

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SPÖ-Verkehrssprecher Alois Stöger ärgerte sich in der Nationalratsdebatte zur Mautbefreiung für ausgewählte Autobahnabschnitte, dass durch eine Mehrheit bestehend aus ÖVP, NEOS und Grüne mit dieser Regelung „in Österreich ein Fleckerlteppich eingeführt werden soll“.
Er kritisierte außerdem, dass dadurch mehr Verkehr produziert werde und man damit das Gegenteil auslöse, was man zum Klimaschutz fordert.

„Das Ziel, weniger Belastung für Bewohnerinnen und Bewohner zu haben, kann so gar nicht erreicht werden“, unterstrich Stöger. Schließlich sei es logisch, dass gratis PKW-Verkehr auch zu mehr PKW-Verkehr führe. „Wenn man Ausweichverkehr verhindern möchte, dann muss man auch entsprechende Maßnahmen setzen“, betonte Stöger.

Er verwies auf die entsprechenden Anträge der SPÖ, nämlich einerseits eine Entschließung für eine Gesetzesnovelle, die den Landeshauptleuten die Möglichkeit gibt, für bestimmte Straßen eine Bemautung zu beschließen und diese zu kontrollieren. Andererseits sei die SPÖ bereit, den Gesetzesantrag zur Mautbefreiung von ausgewählten Autobahnabschnitten mitzubeschließen, wenn eine Befristung der Mautbefreiung bis 2021 inkludiert sei. Ein entsprechender Abänderungsantrag wurde vom SPÖ-Verkehrssprecher eingebracht. „Wir sind bereit, das zu probieren, Erfahrungen zu sammeln, ob das nutzt“, erklärt Stöger.

Nationalrat legt Maut-Ausnahmen auf bestimmten Autobahnabschnitten zur Vermeidung von Mautflucht fest.

Mehrheit aus ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS stimmt zu, SPÖ bleibt skeptisch

Der erste Gesetzesbeschluss der neuen Gesetzgebungsperiode ist eine Novelle zum Mautgesetz, die in der heutigen Nationalratssitzung mit breiter Mehrheit beschlossen wurde, nachdem neben ÖVP, Grünen und NEOS auch die FPÖ in dritter Lesung zustimmte. Die Ausnahmen von der Vignettenpflicht gehen auf einen Initiativantrag der ÖVP zurück. Bei ihr Ablehnung blieb die SPÖ, die andere Lösungen für das Problem präferiert, wie eine Bemautung von Ausweichstrecken.

Die Ausnahmen gelten insbesondere auf Abschnitten nahe der österreichischen Staatsgrenze, auf denen das Problem der “Mautflüchtlinge” besonders akut ist.
Im Gesetzestext definiert sind Mautstrecken auf der Westautobahn A1 bei Salzburg, für Teile der Mühlkreis Autobahn A7 und der Linzer Autobahn A 26, einen Abschnitt der A 12 Inntalautobahn (Kufstein Süd) sowie der Rheintal-Walgau Autobahn A 14 (Anschlussstelle Hohenems).
Die Novelle enthält auch eine Verordnungsermächtigung, über die der Verkehrsminister weitere Ausnahmen festlegen kann.

Mit einer im Budgetausschuss noch vorgenommenen Abänderung wurde in das Gesetz eine Bestimmung über eine Evaluierung der Auswirkung der Maßnahme aufgenommen. Ihre Ergebnisse sind dem Nationalrat spätestens Februar 2021 vorzulegen. In einer Ausschussfeststellung halten die Abgeordneten außerdem fest, dass zusätzlich zu den Ausnahmen von der Vignettenpflicht weitere Maßnahmen gesetzt werden sollen. Diese sollten beispielsweise ein attraktiveres Angebot im öffentlichen Verkehr entlang dieser Routen, die bessere Erreichbarkeit von P&R-Standorten und Tourismuskonzepte für den öffentlichen Nahverkehr umfassen, insbesondere in Hinblick auf TagestouristInnen.

Die Ausnahmen von der Vignettenpflicht würden eine rasche Entspannung der Lage ermöglichen, argumentierten Abgeordnete der ÖVP, der Grünen und der NEOS. Durch Mautflucht entlang der vielbefahrenen Ausweichrouten von Mautstrecken gebe es große Problem von Lärmbelästigung und Luftverschmutzung, für die betroffenen Regionen müsse rasch etwas getan werden. Die Maßnahme werde außerdem begleitend evaluiert.

SPÖ und FPÖ sind zwar ebenfalls der Auffassung, dass die Mautflucht in Grenzregionen ein beträchtliches Problem darstellt. In der Debatte wandten sie sich aber kritisch gegen die nun angestrebte Lösung, die aus ihrer Sicht nicht nachhaltig ist, sondern nur neue Probleme schafft. Zudem stelle sie das gesamte bisherige System der Bemautung überhaupt in Frage. Ihre Abänderungswünsche blieben aber in der Minderheit.

SPÖ grundsätzlich kritisch, hätte jedoch bei Befristung der Maßnahme zugestimmt

Einen “Fleckerlteppich” im Mautsystem durch die vorgeschlagene Novelle befürchtet Alois Stöger (SPÖ). Die angebliche Lösung für den Ausweichverkehr sei zudem kontraproduktiv, eine tatsächliche Entlastung werde nur durch streng kontrollierte Fahrverbote erreichbar sein. Stöger stellte die Zustimmung der SPÖ in Aussicht, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt würden. So müssten die Ausnahmen von der Mautpflicht klar befristet werden und die Verordnungsermächtigung gestrichen werden. Stöger brachte einen Entschließungsantrag in diesem Sinne ein. In einem Entschließungsantrag forderte er Änderungen des Mautsystems und die Schaffung einer Mautpflicht auf Ausweichstrecken. Die Abänderungen und der Entschließungsantrag der SPÖ fanden aber keine Mehrheit.

Eine Entlastung der betroffenen Regionen sei zweifellos notwendig, betonte Reinhold Einwallner (SPÖ). Der vorliegende Antrag enthalte jedoch problematische Details, unter anderem eine sehr fragwürdige Verordnungsermächtigung, die wahrscheinlich nicht verfassungskonform sei und gestrichen werden sollte. Zudem müsse die Maßnahme klar evaluiert werden, in der derzeitigen Fassung des Antrags sei das jedoch nicht garantiert.

Befürchtungen, dass die Maßnahme auch negative Folgen haben könnte, sprach Kai Jan Krainer (SPÖ) an. Auch seine Fraktion wolle eine Lösung für die betroffenen Regionen, die Ausnahmen von der Vignettenpflicht seien jedoch klar zu befristen und zu evaluieren. So müsse beobachtet werden, ob die Mautbefreiung nicht etwa das Problem verschiebt und neue schafft. Zudem gebe es Berechnungen, dass der ASFINAG Mittel fehlen würden.

ÖVP: Betroffene Regionen können rasch auf Entlastung hoffen

Peter Haubner (ÖVP) begrüßte die Mautbefreiung als Abschluss einer Debatte, die bereits 22 Jahre andauert. Alle Parteien hätten das Problem erkannt und Abgeordnete der ÖVP, aber auch der FPÖ, der SPÖ und der Grünen immer wieder Anträge zur Mautbefreiung von grenznahen Mautstrecken gestellt, um das Problem des Ausweichverkehrs in den Griff zu bekommen. Dieser sei eine große Belastung, wie er aus seinem eigenen Wahlkreis wisse. Nun sei eine Lösung in Sicht.

Hermann Gahr (ÖVP) wies die Kritik von SPÖ und FPÖ an der Regelung zurück. Eine Evaluierung werde festgeschrieben, betonte er, daher sei auch dieser Kritikpunkt hinfällig. Im Grunde würden alle Parteien eine Entlastung der Bevölkerung wollen. Gahr erwartet sich insbesondere für das besonders betroffene Kufstein eine unmittelbare Verbesserung. Erfreut für die Bevölkerung von Kufstein und Umgebung zeigte sich Rebecca Kirchbaumer (ÖVP). Dort schaffe die Mautflucht riesige Probleme, vor allem für Einsatzkräfte. Das Argument eines Entgangs von Einnahmen für die ASFINAG wertete sie als nicht schlüssig. Mautflüchtlinge hätte auch bisher schon keine Tagesvignette gekauft, daher ändere sich hier nichts, argumentierte sie.

FPÖ befürchtet neue Belastung für PendlerInnen durch Ende der Vignette

Die FPÖ sei immer für eine Lösung des Problems der Mautflucht eingetreten, betonte Christian Hafenecker (FPÖ). Ärgerlich sei jedoch, dass man die Möglichkeiten der Länder für eine Regelung nie genutzt und die Lösung an Wien delegiert habe. Die nun getroffene Regelung bedeute das Ende des bisherigen Mautsystems, befürchtet Hafenecker. Damit fehle Geld für Verkehrsmaßnahmen und letztlich belaste man die österreichischen PendlerInnen. Er brachte einen FPÖ- Abänderungsantrag ein, der eine Befristung der Maßnahme und die Streichung der Verordnungsermächtigung fordert. Zudem sollten laut FPÖ die Ausnahmen von der Vignette nur für Kufstein und Salzburg gelten. Diese Forderungen, zu denen die FPÖ eine getrennte Abstimmung verlangte, fanden aber keine Mehrheit.

Auch Gerald Hauser (FPÖ) argumentierte, eine Befreiung von der Vignettenpflicht sei sinnvoll für Kufstein und Salzburg, wo damit eine tatsächliche Entlastung erreicht werden könnte. Mit dem Antrag werde aber weit mehr als das intendiert, wie die Grünen auch klar aussprechen würden. Diese wollten nämlich das Ende der Vignette insgesamt einläuten und zu einem System des Road-Pricing übergehen. Die ÖVP unterstütze diese geplante Belastungspolitik der Grünen, offenbar als Vorleistung für die begonnenen Koalitionsverhandlungen, vermutete der FPÖ-Abgeordnete. Für den Fall, dass die Abänderungsanträge der FPÖ abgelehnt werden, kündigte Hauser eine Zustimmung seiner Fraktion in Dritter Lesung an, da man die Entlastung für Kufstein und Salzburg begrüße und mittrage.

 

Gerhard Deimek (FPÖ) lehnte eine Diskussion über die Abschaffung der Vignette und ein Road-Pricing, wie sie die Grünen beginnen wollen, klar ab. Diese Konzepte seien aus seiner Sicht unsinnig und schädlich für das Transitland Österreich, befand er.

Grüne: Vignettenbefreiung nur Notlösung, Abschied von Vignette müsse kommen

Hermann Weratschnig (Grüne) begrüßte die Vignettenbefreiung bestimmter Autobahnabschnitte, die er jedoch grundsätzlich als eine kurzfristige Lösung bewertet, mit der man Zeit für weitere Schritte gewinne. Letztlich könne die Vignette nicht das letzte Wort im Mautsystem sein, sondern es müsse eine europaweit einheitliche, fahrleistungsabhängige Maut geschaffen werden. Diese hätte weit bessere Steuerungseffekte im Verkehr, ist Weratschnig überzeugt. Der Abgeordnete forderte auch eine Reihe von Maßnahmen für eine ökosoziale Wende. Der Prozess in diese Richtung sei mit dem heutigen Beschluss eingeleitet worden, zeigte sich Weratschnig überzeugt. Auch seine Fraktionskollegin Nina Tomaselli sah die Vignette als überholt an und meinte, man müsse von diesem falschen Konzept langsam Abschied nehmen. Sinnvoll wäre nur eine fahrtleistungsabhängige Maut.

NEOS für europaweit einheitliches Mautsystem

Eine nachhaltige Lösung der Problematik werde nur durch ein gemeinsames europäisches Mautsystem möglich sein, ist Johannes Margreiter (NEOS) überzeugt. Die nun getroffene Regelung stelle eine Sofortmaßnahme für besonders betroffene Regionen dar, vor allem für grenznahe Regionen.
Der Schritt sei in dieser Hinsicht daher sinnvoll und werde von den NEOS mitgetragen.

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