999 Experten analysieren dieser Tage die Budget-Konsolidierungspläne der künftigen FPÖ/ÖVP Regierung. Aber einen Aspekt kann und will keiner erklären: das geplante Verbot von Zusatzverdienst für Arbeitssuchende.
Im österreichischen Papierwald rauscht es orkanartig und das *.AT Netz glüht vor lauter “Breaking News”. Schuld ist das soziale Tiefdruckgebiet “FPÖVP”, denn alleine das erste Drittel des Sparpakets schlägt eine Schneise durch viele Bereiche.
Verbot von Zusatzverdienst für Arbeitssuchende
Arbeitssuchende dürfen künftig nichts mehr dazuverdienen. Weder zur vertraglich zugesicherten, vorfinanzierten Versicherungsleistung namens Arbeitslosenunterstützung, noch zur Notstandshilfe.
Jener (bereits vor Jahren von Minister Kocher propagierte) Punkt, welcher angeblich schon im ersten Jahr über 80 Mille bringen soll, wird von den Experten gerne übersehen und bleibt weitgehend unkommentiert.
So liest man beim, von der FPÖ so beliebten “Der Standard” in deren Textwüste nichts davon und bei 2500 Reaktionen darauf macht sich einer einziger(!) Kommentator Gedanken dazu.
Sparpläne kritisieren kann die Presseförderung gefährden
Einzig der ORF fragt sich, wie sich diese Maßnahme konkret auf das Budget auswirken sollte. Viele andere Medien trauen sich nicht, dies näher zu hinterfragen oder gar zu kritisieren. Denn schnell steht die Presseförderung am Spiel und was dann?
Wir werden uns noch wundern, was alles nicht geht, wenn die FPÖ echt einigen Medien diese Töpfe entzieht. Etliche großspurige Medienhäuser müssten dann nur mit ihren Einnahmen überleben.
Da wir ohnehin keine Förderungen bekommen, kann man uns auch nichts kürzen und da wir auch ohne Steuergeld-Spenden im plus sind, werden wir weiterhin einen kritischen Blick auf die Zeit und die Akteure dahinter werfen.
Wie soll sich das Verbot eines Zuverdienstes positiv auf das Budget auswirken?
Manche erklären sich das so, dass man damit die Arbeitssuchenden eher wieder in Jobs zwingen kann. Denn diese würden sich auf der sozialen Hängematte ausruhen, hohe Zuwendungen kassieren und das noch mit ein bissl Pfusch aufbessern.
All die “händeringend” nach Personal suchenden Betriebe müssen wegen “Fachkräftemangel” zusperren, weil die Faulpelze den Arbeitsstätten fernbleiben. Und das in im SteuerSparadies Österreich, wo sich die internationalen Konzerne um die Betriebsstätten prügeln.
Wo jeder Betrieb frei aller Vorschriften und Auflagen mit der Umwelt und den Dienstnehmern tun und lassen kann, was er will.
Ergo sind nur die Arbeitslosen am Budgetloch Schuld, die etwas dazuverdienen. Aha …
Wie schaut das in der Realität aus?
Also nicht durch die blauschwarz getönte Brille der Wähler dieser Koalition?
Beispiel A
Eine bereits länger arbeitssuchende Dame, Frau A. bekommt, sagen wir mal 500 € vom AMS. Sie verdient sich ab und zu 300 dazu. Da dies ja gemeldet werden muss, wird es lt. AMS Auskunft auch von der Leistung abgezogen. Es entsteht also erstmal kein echter Zuverdienst.
Frau A. tut das eventuell auch, weil sich so kleine Nebentätigkeiten zuerst mal positiv auf den arbeitstechnischen Biorhythmus auswirken. Man kommt wieder raus aus dem Rückzugsgebiet, kommt vllt. auch wieder mit anderen Menschen in Kontakt.
Solche Kontakte können u.U. auch wieder einen Job am 1. Arbeitsmarkt ergeben, wer weiß?
Geringfügige Beschäftigung führt eher zu einer Wiederbeschäftigung
Sog. Sozialökonomischen Betriebe (SÖB) fördern genau das im Auftrag des AMS: Eine Vorbereitung auf eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Je länger jemand ohne ein typisches Dienstverhältnis war, desto schwieriger ist der Einstieg.
Bloß: In einem typischen SÖB bekommt man maximal eine winzige Aufbesserung der AMS Leistung, aber keinen echten Zuverdienst. Ja, es gibt Ausnahmen, wo diese auch echte Dienstverhältnisse anbieten.
Ein selbst gefundener Nebenjob, eine von sich aus gestartete Zuverdienstmöglichkeit bietet aber mehr echte Jobchancen und mitunter sogar die Möglichkeit, daraus eines Tages eine Selbständigkeit zu machen.
Doch damit soll nun bald Schluss sein. Und das trotz der Tatsache, dass vor allem länger Arbeitssuchende mit selbst organisierten Nebentätigkeiten eher einen echten Wiedereinstieg finden.
Zitat AMS Kärnten:
Eine Studie hat gezeigt, dass bei Arbeitslosen, die erst kurze Zeit arbeitslos sind, eine geringfügige Beschäftigung die Dauer der Arbeitslosigkeit eher verlängert. Bei Personen, die schon sehr lange arbeitslos sind, führe eine geringfügige Beschäftigung hingegen eher zu einer Wiederbeschäftigung.
Beispiel B
Jetzt beobachten wir Herrn Ing. B. einen, einst gut verdienenden AMS Kunden, der jetzt 1000 € ALG erhält. Der ehemalige Maschinenbautechniker wurde genau mit 50 von seinem jahrzehntelangen Industriebetrieb gekündigt. (der nun “händeringend” Richtung Konkurs schlittert)
Herr Ing. B. verdient tatsächlich nebenbei monatlich rund 500 €. Er hat früh über den Tellerrand geblickt, sich diverse Zusatzkenntnisse angeeignet und gewisse Beziehungen erhalten. Jetzt hilft er manchen Ex-Kunden seiner ehem. Firma mit seinen hohen CAD Skills.
Mit dem, was ihm da, nach Abzug der dem AMS nachgewiesenen Einnahmen übrigbleibt, kommt der Alleinstehende so weit über die Runden, kann seine Wohnung usw. weiter finanzieren. Übrig bleibt aber nichts, vor allem wenn das Auto oder ein teures Haushaltsgerät kaputt ist, dann wird es sehr eng.
Negativer Dominoeffekt auf die Wirtschaft
Demnächst wird Herr. Ing. B. diesen Zuverdienst beenden müssen und die Beziehungen werden zumindest in einer Hinsicht einfrieren. “Seine” Leute werden sich andere Dienstleister suchen müssen. Eventuell solche, die das 10-fache abcashen und den Betrieb ausnutzen, bis auch der nicht mehr kann.
Aber zurück zu Herrn B.: Sofern seine weiterhin aktive Arbeitssuche einen Job ergibt, muss er den nächsten (an)nehmen. Trotz noch laufenden Berufsschutz kann er sich nicht mehr leisten, einen passenden Job zu nehmen.
Wo eine Tür geschlossen wird …
Die Folge ist, dass er eventuell nur mehr das Brutto kassiert, was er vorher netto hatte. Davon werden diverse weitere Auslagen abgehen: Fahrtkosten, … usw. Etliche Vergünstigungen wie eine eventuelle Befreiung vom ORF Beitrag, Telefongebühr, Rezeptgebühr usw. fallen weg. Nicht weil der Verdienst so hoch wäre, sondern, in manchen Fällen ist alleine das Vorhandensein einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ein Ausschlussgrund dafür!
Es gibt aber einige weitere Förderungstöpfe, die man bisher nicht anrührte. Jetzt bleibt aber nichts mehr übrig, als sich deren zu bedienen. Also ist das Verbieten eines Zuverdienstes und das Abstellen von Förderungen nur eine Verlagerung.
FPÖ und ÖVP rechnen ein fiktives Einsparungspotenzial vor
„Hier werden wieder Millionen Einsparungen herbeigerechnet, die an anderen Stellen noch teurer werden und das Budget und vor allem die Betroffenen mehr belasten als entlasten,“ meint der Grazer Stadtrat Robert Krotzer dazu.
Und: “Diese Maßnahme drängt Menschen in die Sozialhilfe zurück und erzeugt keine Einsparungen.”
PS: Interessant ist, wie sehr sich die einst EU-kritische Partei nun ins Zeug legt, um es den Eurokraten recht zu machen.