Seit Jahrzehnten gibt es Beratungsstellen für alle möglichen finanziellen Problemfelder: wie etwa bei Schulden, z.B. aufgrund von überhöhten Mieten und Energiekosten, Gerichtsgebühren und/oder einfach weil seit dem Jobverlust das Budget nicht einmal mehr für eine ordentliche Haushaltsführung reicht.
Die betroffenen Menschen wenden sich meist erst an diese Stellen, wenn “das Kind schon in den Brunnen gefallen ist”; Etwa wenn der Energieversorger (entgegen blumigen Versprechungen) mit Abschaltung droht, die Hausverwaltung Drohbriefe wegen Betriebskosten-Rückstände schickt oder der Vermieter an die Tür hämmert.
Warum ist das so?
- Zum einen will man seine Angelegenheiten am liebsten selbst regeln und schämt sich vielleicht, andere um Hilfe zu bitten.
- Zum anderen sind aber auch die Beratungsstellen und sog. Hilfsorganisationen auch selbst Schuld an dem privaten Schuldenchaos in Österreich.
Beides führt eben dazu, dass viele erst dann solche Berater kontaktieren, wenn es nicht mehr anders geht. Oder, man wartet, bis Gerichtsvollzieher, Schlosser und Polizei die Tür eintreten. Beides ergibt stets einen Mehraufwand, welcher vom verkorksten Justizsystem in Absurdistan an den Schuldner verrechnet wird.
Leserbrief: Der Wahnsinn mit dem Wohnschirm
Am Beispiel des, vom Sozialministerium betriebenen “Wohnschirm” und aufgrund einer Zuschrift zeigten wir, was bei den Beratungsstellen schiefläuft und in der Folge zu Frust bei den Hilfesuchenden führt.
Eine Frau Klara A. schrieb uns einen interessanten Brief:
Wie vielen ist auch mir die Inflation auf dem Kopf gefallen!
Also habe ich mich hilfesuchend an den sogenannten Wohnschirm gewandt! Mir ist schon komisch vorgekommen, was die alles wissen wollten! Statt Hilfe soll ich jetzt in eine halb so große 30 m² Wohnung ziehen, manche Sanitärräume mit anderen teilen und ein indisches WC “jenseits des Ganges” benützen! Der Wohnschirm hat “geholfen”, ich weine jeden Tag!
Mittlerweile bereue ich auch jeden Tag mich an diesen gewandt zu haben!
Mit Standardfloskeln abgespeist
Eine der Standardantworten, welche Menschen wie Frau Klara so erzürnt ist eine, welche an die Standardfloskel der ach so hochgelobten und geförderten Schuldnerberatung NÖ erinnert: “wenn’s mit dem Einkommen net auskommen, müss’n halt mehr verdienen …“.
Doch es gibt noch mehr Kritik, eine Diskrepanz zwischen den Standardantworten in der Wohnschirm-FAQ und den tatsächlichen Antworten, mit denen man Hilfesuchende abspeist …
Nonsens aus der Wohnschirm FAQ:
Eigentümer oder Mieter
Für die Vereine, welche unter dem Wohnschirm gelistet sind, ist man nur als Mieter, bzw. Untermieter einer Beratung, bzw. möglichen Hilfe würdig. (Ja, auch wenn die so aussieht, wie es unsere Leserin erlebte.)
Ein Eigentümer, z.B. einer kleinen Eigentumswohnung, welcher sich erlaubt, bei den Schutzpatronen des Wohnsinns um Hilfe anzufragen, wird höchstens mit einer abweisenden Antwort bedacht, Hilfe gibt es nicht!
Klar zeigt man sich in der Wohnschirm-FAQ hier anders:
- FAQ-Frage: Kann ich Unterstützung vom WOHNSCHIRM Energie erhalten, wenn ich in meinem Eigentum – Haus oder Wohnung – lebe?
FAQ-Antwort: “Ja. Sie können auch für Ihre Wohneigentum Unterstützung erhalten, wenn Sie dort Ihren Hauptwohnsitz gemeldet haben.“
Echte Antwort: Ein Auszug aus der uns vorliegenden Antwort von einem von 3 Vereinen, welcher unter dem Wohnschirm gelistet sind:
“Wir sind nur für Mieter*innen zuständig. In Ihrem Fall könnten Sie sich betreffend der Wohnung/des Hauses an die Schuldnerberatung wenden.”
Vorbeugung nicht erwünscht!
Wendet man sich VOR einer drohenden, aber doch absehbaren Notlage an diese Vereine, wird man entgegen der FAQ vertröstet.
- FAQ-Frage: Ich habe derzeit keine bestehenden Schulden bei den Energiekosten, muss aber demnächst nachzahlen – kann ich dafür finanzielle Hilfe vom WOHNSCHIRM Energie erhalten?
FAQ-Antwort: “Ja“
Echte Antwort: Auszug aus einer uns vorliegenden Antwort von einem der Vereine (Die anderen beiden geografisch zuständigen Vereine antworteten gar nicht):
“Bezüglich der Energiekosten rate ich Ihnen sich zum aktuellen Zeitpunkt noch an Ihr jeweiliges Sozialamt zu wenden.”
DSGVO? Was ist denn das?
Zu solchen Aussagen, wie vorhin im Vergleich zwischen FAQ und Wahrheit gezeigt, kommen die Experten, nachdem sie vom Klienten folgende Daten fordern:
- Ausweis
- Meldezettel
- Einkommensnachweis aller Haushaltsmitglieder (z. B. Lohnzettel)
- Energierechnung(en) (z. B. Strom, Gas, Holz)
- Energievorschreibung
- Belege im Zusammenhang mit Ihren Energiekosten (z. B. Mahnungen, Briefe oder E-Mails von Vermieter:innen, Gerichten oder Anwält:innen)
Wer steckt hinter dem “Wohnschirm”?
Wir haben schon erwähnt, dass mehrere Vereine unter dem Wohnschirm vereint sind. Diese können einfach unter den jeweils zuständigen Beratungsstellen angezeigt werden. Doch wer steckt dahinter?
Verantwortlich für die Website www.wohnschirm.at ist das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und ist eigentlich nur ein Informationsportal und erste Anlaufstelle, welche zu weiteren Vereinen verweist, wo die Hilfe stattfinden soll.
Leider bewahrheitet sich bei jedem dieser Vereine, dass Frau Klara recht hat! Wir haben es selber nachgeprüft und die teils unglaublichen Antworten archiviert.
Das heißt jetzt nicht, dass die vielen Erfolgsgeschichten, welche auf www.wohnschirm.at stehen, erfunden sind – aber unser Bericht auch nicht!
Es mag durchaus für viele hilfreich sein, sich dort beraten zu lassen. Immerhin sind manche ansonsten alleine von einer der komplizierten Stromrechnungen der EVN überfordert.
Ergo ist eine vielleicht ungerecht verteilte Hilfe besser als gar nichts, doch hier ist viel Luft nach oben.
Interview-Anfragen blieben unbeantwortet
Diese oben auszugsweise gezeigte Liste aus der Wohnschirm-FAQ hätte noch um ein paar weitere solcher Diskrepanzen zwischen Beweihräucherung der eigenen Heiligkeit und der Wahrheit verlängert werden können.
Doch wir warten mal ab, was so an Stellungnahmen hereinkommt (vielleicht lässt man sich nun doch dazu herab?), oder was noch an Zuschriften erboster Menschen eintrifft oder eben, wie meistens, auf das Schreiben einer rechtsfreundlichen Vertretung.