Die größte Firmenpleite Österreichs spielt sich nur unweit unserer Redaktion ab und wir fragen uns, wie konnte dies einem Aushängeschild der Branche passieren?
Die 1965 als Zwei-Mann Betrieb gegründete Firma ist seit langem einer der weltweit führenden Anbieter von Biomasseverbrennungsanlagen zur CO2-neutralen Energieerzeugung. Heute hat der Familienbetrieb mit einer Exportrate von fast 100 % weltweit über 3000 Feuerungsanlagen gebaut und wurde auch oft ausgezeichnet.
Investor ermöglicht Fortbetrieb
Bekanntlich musste die Fa. Polytechnik Luft- und Feuerungstechnik GmbH (Sitz in NÖ, Weissenbach/Triesting) im Jänner 2022 ein Sanierungsverfahren beantragen. Die erste Aussendung des KSV listete 100 betroffene Dienstnehmer, ca. 630 Gläubiger und Passiva von fast 70 Mio. Diese Angaben änderten sich aber noch mehrmals.
Zuletzt schrumpften die Gläubiger auf 370; dafür hätten lt. KSV schließlich 108 Dienstnehmer ihre Forderungen angemeldet. Mit den zuletzt gemeldeten Passiva von EUR 77 Mio. handelt es sich um das bislang größte österreichische Insolvenzverfahren des heurigen Jahres.
Leadersnet aber meint, dass “sich die Zahl der betroffenen Dienstnehmer auf rund 3.000 Personen verdoppelte, …” (ZITAT Quelle leadersnet.at)
Egal ob 100 oder 10.000 Mitarbeiter, hinter jedem steckt das Schicksal von Familien! Wer schon mal wegen Insolvenz, Konkurs oä. seiner Firma den Job verlor, der weiß, wie weh das tut. Man hat Jahrzehnte brav und loyal fürs Finanzamt, Kassen, Kammern und die Bosse gearbeitet und dann aus.
Aber auch in dem Fall ist das Ziel aller Anstrengungen die Weiterführung. Und Masseverwalterin Mag. Maria-Christina Nau konnte berichten, dass es dank Mittelzufuhr durch einen Investor möglich war, den Fortbetrieb des Unternehmens zu finanzieren, das einer der weltweit führenden Anbieter von Biomasseverbrennungsanlagen zur CO2-neutralen Energieerzeugung ist.
Wie konnte das Aushängeschild der Branche so ins Wanken geraten?
- Auch wir berichteten noch 2015 (anlässlich des 50ers der Firma) vom Global Player aus Weissenbach, von den hochfliegenden Plänen der Chefetage, hier konkret vom Seniorchef Leo Schirnhofer formuliert.
Ebenso wurde schon damals das Bestreben zur Unabhängigkeit von fossiler Energie erkannt. Man war sich sicher, mit der “Biomassephilosophie” expandieren zu können. - 2019 vertrat POLYTECHNIK Juniorchef Mag. Lukas Schirnhofer Österreich (und noch 240 Mitarbeiter) bei der Weltklimakonferenz in Madrid. Die Krone schrieb von einem Aushängeschild der Branche. Auch die damalige Umweltministerin Maria Patek lobte den Technologieführer und das “Öko-Potenzial, welches in diesen Biomasseverbrennungsanlagen steckt”.
- Selbst noch Mitte 2020, also schon zu Corona-Zeiten, lief lt. dem Holzkurier “Fast alles nach Plan“. Interessant dabei ist der Satz “Die Auftragslage ist nach wie vor sehr gut und hat sich trotz Corona nur geringfügig verändert” (ZITAT Quelle holzkurier.com)
Also doch Corona?
Dennoch wird im Bericht des KSV folgendes als Insolvenz-Grund angegeben: “Durch die Coronakrise ist es bei der Abarbeitung und Abrechnung der Aufträge zu massiven Verzögerungen und Mehrkosten gekommen. Darüber hinaus waren Preiserhöhungen und Lieferverzögerungen im Bereich Logistik, Transport und Beschaffung zu verzeichnen.”
Weiters: “Aufgrund externer Rahmenbedingungen und die durch die COVID-19-Pandemie eingetretenen Verschiebungen haben sich auch geplante Rückflüsse aus Projektfinanzierungen verzögert. Für das Jahr 2021 ergeben sich aus oben genannten Gründen ein massiver Umsatzausfall und erhebliche Mehrkosten.”
Wie auch immer, der Fall POLYTECHNIK, die größte österreichische Pleite des Jahres sei das “Musterbeispiel für das Funktionieren des Insolvenzrechts“.
Denn Ende April haben die Gläubiger in der am 26.04.2022 beim Landesgericht Wiener Neustadt abgehaltenen Sanierungsplan-Tagsatzung dem Sanierungsplan mit überwältigender Mehrheit zugestimmt.
Biomasse Fernwärme weiterhin verfügbar und leistbar?
Wir sind selbst Kunden von Biomasse Energie (konkret Fernwärme) und hoffen, dass jener Betrieb, welcher im Firmengebäude der POLYTECHNIK sitzt, auch weiterhin diese Form der Energie verkaufen kann. Denn ohne die Anlagen der Polytechnik – keine Bioenergie zum Verkaufen!
Immerhin müssen die bestehenden Anlagen auch gewartet und eines Tages vielleicht erneuert werden. Gäbe es dann keine POLYTECHNIK und deren Mitarbeiter, was dann? Mit was würde unser Heimatort seine Fernwärme erzeugen? Mit der musealen Wasserkraft-Turbine aus dem Furtherbach?
Derzeit versorgt die Biomasse Anlage im dorfgerechten Stadl viele öffentliche Gebäude und einige Siedlungen mit Fernwärme. Das ist Bio. Das ist auch bequem und hoffentlich weiterhin leistbar!?
Angesichts der (seit der Ukraine-Krise enorm verstärkten) Tendenzen zur Abkehr fossiler Energie, welche noch dazu von Leuten wie Putin & Co. kommt, sollte es klar sein, dass man diese Bioenergie erhalten und ausbauen muss.
Dazu gehört meiner Meinung nach, dass man Leitbetriebe, Aushängeschilder der Branche unterstützten muss.
So ist IEA Bioenergy (eine der weltweit renommiertesten Forschungskooperationen auf dem Gebiet der Bioenergie) überzeugt, dass “Europas Aufbruch in die Energieunabhängigkeit nur mit Bioenergie geht“.
Und der Österreichische Biomasse-Verband weiß ebenfalls, dass “die Bioenergie-Nutzung eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels und für das Erreichen der Klimaziele spielt“.
Insolvenz-Grund: “externe Rahmenbedingungen …”
Doch die politischen Rahmenbedingungen sind nach wie vor suboptimal. Andernfalls stünde nicht “Aufgrund externer Rahmenbedingungen …” als Insolvenz-Grund im Raum.
Politiker zeigen sich gerne mit erfolgreichen Unternehmern und verkaufen uns die Corona-Krise womöglich als Gesundschrumpfung der Wirtschaft. Denn wie kommen Kocher & Co. auf so Jubelchöre, die von der nun überaus starken Wirtschaft (weit über Vorkrisen-Niveau!) singen?
Hier schwingt eine Dissonanz mit, ein ungutes Gefühl. Es klingt, als ob Corona alle schwachen Unternehmen gekillt hätte und die jetzt wieder erstarkte Wirtschaft besser den je funktioniere …
…Quelle
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