Österreichische Universitäten als Spielball der Politik?

Bildung
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An den österreichischen Universitäten herrscht große Sorge angesichts eines weitreichenden Ausbaus der politischen Einflussnahme in der geplanten Novelle des Universitätsgesetzes. Aus ihrer Verantwortung für Universität und Gesellschaft plädieren die Senate und ihre Vorsitzenden für ein rechtzeitiges Überdenken drohender Fehlentwicklungen.

Noch am 26. Juni 2020 hatte Minister Faßmann vor den versammelten Senatsvorsitzenden aller 22 österreichischen Universitäten erklärt, dass das Universitätsgesetz in seiner Konzeption im internationalen Vergleich ausgesprochen stabil ist und eine vernünftige Kompetenzverteilung unter den Leitungsorganen Rektorat, Senat und Universitätsrat vorsieht. Und er versicherte, dass keine Notwendigkeit zur Verschiebung dieser Kompetenzen bestehe.

Vier Monate später, am 23. Oktober 2020 ist alles anders, als Vertreter des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung die Grundzüge der in Vorbereitung stehenden Novelle des Universitätsgesetzes vorstellen: In Zukunft soll die Entscheidung über die Weiterbestellung von Rektor*innen für eine zweite Funktionsperiode nicht mehr die Zustimmung von Senat und Universitätsrat erfordern. Diese Entscheidungskompetenz soll ohne Notwendigkeit alleine zum Universitätsrat verschoben werden.

Im aktuellen Bericht des ORF vom 10. November 2020 (siehe https://salzburg.orf.at/stories/3075196/) wird dazu Sektionschef Pichl zitiert, der diese Kompetenzverschiebung bestätigt: „Änderungen seien allenfalls bei der Wiederwahl von Rektoren geplant.“

Eine Novellierung ohne Notwendigkeit sondern aus politischer Opportunität?

Etwa die Hälfte der Mitglieder des Universitätsrats werden direkt von der Bundesregierung bestellt, wobei „die Auswahlentscheidungen im Wesentlichen auf politischer Ebene informell vorbereitet wurden, weshalb für den Rechnungshof die Entscheidungsprozesse nicht nachvollzogen werden konnten“ – vgl. den RH-Bericht 2016 (https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/Universitaetsraete.pdf). Der Universitätsrat soll nun in Zukunft alleine darüber entscheiden, ob Rektor*innen weitere 4 Jahre die Universität leiten sollen. Hingegen ist die Kompetenz des durch demokratische Wahlen legitimierten Senats für eine tragfähige Entscheidung über die Weiterbestellung von Rektor*innen anscheinend nicht notwendig weil politisch unerwünscht? Der damit verbundene Schaden für die Universitäten und für die Qualität der Bildung unserer Studierenden soll offensichtlich in Kauf genommen werden.

Salzburger Erklärung

Die Universität Mozarteum Salzburg und die Universität Salzburg haben am 11. November 2020 in ihren Senaten eine Erklärung einstimmig beschlossen, die den geschilderten Angriff auf die Autonomie und die drohende politische Einflussnahme auf die Universitäten entschieden ablehnt. Genauso werden die geplanten ministeriellen Eingriffe in die autonomen Gestaltungsrechte der Universitäten für die Studienpläne kritisiert. Diese beschneiden nämlich das in der Verfassung garantierte Recht, sowohl die Freiheit der Lehre als auch die Weisungsfreiheit von Mitgliedern der Leitungsorgane (siehe OTS-Meldung https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20201112_OTS0166/).

Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist die geplante Novellierung des Studienrechts, mit der bei Studienleistungen von weniger als 16 ECTS Anrechnungspunkten pro Jahr ein Ausschluss vom Studium erfolgen soll. Umgelegt auf Schulen würde das bedeuten, dass die Konsequenz unzureichender Leistung nicht das Wiederholen der Klasse, sondern ein lebenslanger Ausschluss von der Schule wäre. Diese Vorgangsweise ignoriert nicht nur die prekären Lebensbedingungen der Studierenden, sondern gefährdet zugleich die Möglichkeit von Doppelstudien und damit interdisziplinäres Denken.

An allen österreichischen Universitäten bekräftigen die untenstehenden Senatsvorsitzenden durch einen gemeinsamen Beschluss ihre Unterstützung für die Salzburger Erklärung:

Universität Wien (Michael Viktor Schwarz, Annemarie Steidl, Christian Albert)
Universität Graz (Rainer Niemann, Edith Gößnitzer)
Universität Innsbruck (Walter Obwexer, Walter M. Grömmer)
Universität Salzburg (Wolfgang Faber, Günter Herzig, Tobias Neugebauer, Ingeborg Schrems)
Wirtschaftsuniversität Wien (Christian Riegler, Renate Meyer, Daniela Kremslehner)
Universität Linz (Hanspeter Mössenböck, Johann Höller, Andrea Navarro-Quezada, Felix Kastner)
Universität Klagenfurt (Larissa Krainer, Matthias Karmasin, Mathias Lux)
Universität für Weiterbildung Krems (Michaela Pinter, Kay Mühlmann)
Technische Universität Wien (Norbert Pfeifer, Simone Knaus, Hermann Kaindl, Ramon Rigal)
Technische Universität Graz (Gernot Kubin, Wolfgang Dokonal, Patrik Buchhaus, Gabriele Berg)
Montanuniversität Leoben (Christian Mitterer, Doris Groß)
Universität für Bodenkultur Wien (Gerda Schneider)
Medizinische Universität Wien (Maria Sibilia, Patricia Schukro, Eren Eryilmaz, Klaus Markstaller)
Medizinische Universität Graz (Alexander Rosenkranz, Andreas Wedrich, Sandra Holasek,)
Medizinische Universität Innsbruck (Gert Mayer, Judith Lechner)

Veterinärmedizinische Universität Wien (Sabine Hammer, Anja Joachim)
Universität für angewandte Kunst Wien (Anja Jonkhans)
Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (Johannes Marian, Ursula Hemetek)
Universität Mozarteum Salzburg (Christoph Lepschy, Hildegard Fraueneder)
Universität für Musik und darstellende Kunst Graz (Wolfgang Hattinger, Christa Brüstle)
Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz (Anne von der Heiden, Martin Kaltenbrunner)
Akademie der bildenden Künste Wien (Angelika Schnell, Andreas Spiegl, _willi Hejda)

Quelle
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