Mitglieder der Bundesregierung in Hasskampagnen gegen Musliminnen und Muslime involviert.
SOS Mitmensch hat erstmals einen Bericht über antimuslimischen Rassismus in der österreichischen Spitzenpolitik veröffentlicht. Für das Jahr 2018 wurden zwanzig antimuslimisch-rassistische Kampagnen dokumentiert, in die teilweise auch Mitglieder der Bundesregierung involviert waren. Die Menschenrechtsorganisation warnt vor einer gefährlichen Verankerung von Hassideologien in der Spitzenpolitik.
„Unser Bericht zeigt, dass die Hetze gegen Musliminnen und Muslime kein politisches Randphänomen mehr ist, sondern das Zentrum der österreichischen Politik erreicht hat. Hasskampagnen gegen Menschen alleine aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit haben ein Ausmaß und eine Dichte erreicht, die vor einigen Jahren noch unvorstellbar gewesen wäre“, sagt Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch.
Der Bericht von SOS Mitmensch dokumentiert zwanzig antimuslimisch-rassistische Kampagnen im Bereich der österreichischen Spitzenpolitik im Jahr 2018. Dazu zählen etwa die Kampagne der Wiener FPÖ für den Ausschluss von Musliminnen und Muslimen vom weiteren Zugang zum Gemeindebau oder die Kampagne von FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus gegen die Verleihung von Staatsbürgerschaften an Musliminnen und Muslime. Im Bericht findet sich auch die Kampagne zur Indexierung der Familienbeihilfe, die von Vizekanzler Heinz-Christian Strache mitgetragen wurde und die sich gegen Frauen mit Kopftuch richtete. Auch die antimuslimisch-rassistische FPÖ-Videokampagne zur E-Card – mit einem Videoauftritt von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein – hat in den Bericht Eingang gefunden.
Als zentrale Akteurin des antimuslimischen Rassismus in der österreichischen Politik nennt der Bericht die Freiheitliche Partei Österreichs. Spitzenpolitiker wie Vizekanzler Heinz-Christian Strache, Vizelandeshauptmann Manfred Haimbuchner, FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus und FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky würden sich immer wieder an Kampagnen, die gegen Musliminnen und Muslime aufhetzen, beteiligen, so SOS Mitmensch. Ein wesentlicher Kommunikationskanal seien dabei soziale Medien.
„Die im Bericht dokumentierten und analysierten Kampagnen sind lediglich die Spitze eines Eisbergs“, warnt SOS Mitmensch-Sprecher Pollak. „In den Bericht wurden ausschließlich Vorfälle aus der österreichischen Spitzenpolitik und ausschließlich Fälle mit einer klar erkennbaren antimuslimisch-rassistischen Tendenz aufgenommen. Es gibt darüber hinaus jedoch zahlreiche weitere Fälle, bei denen der Verdacht naheliegt, dass sie ebenfalls das Ziel der antimuslimischen Stimmungsmache verfolgen“, erklärt Pollak.
Pollak betont, dass antimuslimischer Rassismus ein gesellschaftszerstörendes Phänomen sei. „Bei antimuslimischem Rassismus geht es nicht um die kritische Auseinandersetzung mit Religion und auch nicht um die faktenbasierte Auseinandersetzung mit Handlungen von Personen oder Organisationen, sondern um den kollektiven und undifferenzierten Angriff auf Menschen alleine aufgrund einer Vorurteils- und Hassideologie“, so Pollak.
Die Sprachwissenschaftlerin Prof. Ruth Wodak verweist in ihrer Stellungnahme zum Bericht von SOS Mitmensch auf ihre Forschungen zu negativen Stereotypen gegenüber Zuwanderern aus dem ehemaligen Ostblock nach 1989. Die damaligen sprachlichen Muster der Ausgrenzung würden in vielem jenen Mustern ähneln, die heute gegen Muslime und Musliminnen verwendet werden, erklärt Wodak. „Zunächst werden Generalisierungen über eine fälschlich als homogen imaginierte Gruppe von Muslimen getroffen, denen in einem zweiten Schritt ganz allgemein verschiedenste negative Attribute zugeordnet werden. In einem dritten Schritte werden dann Policies vorgeschlagen, um diese Gruppe im Alltag und institutionell zu diskreditieren, letztlich als gesamte Gruppe zu kriminalisieren. Der Bericht von SOS-Mitmensch zeigt diese für eine pluralistische Demokratie höchst gefährliche Entwicklung in vielen Details auf“, führt Wodak aus.
Der Politikwissenschaftler Prof. Anton Pelinka konstatiert, dass Österreichs Gesellschaft und Politik derzeit von der politisch motivierten Aufschaukelung von Vorurteilen bestimmt würden. „Die Grundsätze eines säkularen Staates werden massiv verletzt. Am Beispiel des von der Bundesregierung geplanten Verbotes des Tragens von Kopftüchern in Schulen kann dies verdeutlicht werden:“, erklärt Pelinka.
Die Politikwissenschaftlerin Prof. Birgit Sauer betont in ihrer Stellungnahme zum Bericht, dass in Bezug auf antimuslimischen Rassismus so etwas wie ein „Normalisierungsprozess“ in Österreich stattgefunden habe. „Der Bericht macht auch deutlich, dass akuter anti-rassistischer Handlungsbedarf besteht, sind doch die rassistischen Strategien einer Regierungspartei nicht nur eine Herausforderung, sondern eine Gefährdung der österreichischen Demokratie, da sie die Menschen- und Bürgerrechte jener als Muslime konstruierten Gruppe massiv in Frage stellt“, erklärt Sauer.
Der Historiker Dr. Peter Melichar bescheinigt dem Bericht von SOS Mitmensch, ein „bemerkenswertes Dokument“ zu sein. „Der Nachweis, dass eine politische Partei – vorübergehend auch Regierungspartei – eine systematische Hetze gegen einen Teil der österreichischen Bevölkerung betreibt, macht es dringend notwendig, über zentrale Werte unserer Gesellschaft und politischen Kultur, nachzudenken. Der Bericht muss dazu ermutigen, für diese Werte, die nichts anderes sind als Orientierungspunkte, um ein friedliches und gedeihliches Zusammen zu gewährleisten, einzustehen“, so Melichar.
SOS Mitmensch fordert eine unmissverständliche Ächtung von antimuslimischem Rassismus durch die Politik. Der Kampf gegen antimuslimischen Rassismus in der Politik müsse Chef- und Chefinnen-Sache werden. Alle Parteivorsitzenden müssten ein klares Bekenntnis abgeben, dass antimuslimischer Rassismus und auch alle anderen Formen des Rassismus klar abzulehnen seien, so die Menschenrechtsorganisation.
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