“Wie kommen die auf solche Summen?” fragt sich evtl. jeder Steuerzahler angesichts der Horrorzahlen welche Politiker für oft unscheinbare Leistungen absegnen. Heute im Sonderangebot: Kreise, Quadrate, Ringe, Seiten, …
Politiker als Auftraggeber?
Der Autor dieser Zeilen war und ist selbst seit Jahrzehnten als Designer für alte und Neue Medien tätig. Manchmal selbständig und Mitglied einer bestimmten WKO Fachgruppe, oft aber auch frei oder fix angestellt. Ja, ich war Grafiker, Designer uvam. für kleine bis sehr große, bekannte Projekte bei namhaften Unternehmen der Branche. Doch solche Honorare, wie sie Politiker verschenken, hat es nie gegeben!
Auch eine Intervention einer WKO Fachgruppe gab es in der Form noch nicht. Denn egal welche Kunden sich vor den Zahlungen an meine Arbeitgeber drückten, dies war der Kammer immer wurscht. Ging eine Werbeagentur pleite, weil sie Aufträge von Politikern annahm, die dann nicht zahlen wollten, war dies der Fachgruppe egal. Hauptsache, man streift die unglaublichen Umlagen ein.
Bestattungsslogo für Gesundheitskasse
Aber bekamen denn die “Schöpfer” des “immens aufwändigen Kreativprozesses” (ein grüner Kreis plus Standardfont – der längst geschützt ist!) wirklich 400.000 €? Ich glaube nicht, denn wie so oft fließt das Geld nur zu einem Bruchteil an die offiziellen Empfänger.
99% versickert in Geldwäsche, Schweigegeld, Bestechungsgeld oder versteckter Finanzierung.
Irgendwann wird auch der Skandal auffliegen und der Steuerzahler darf einen jahrzehntelangen Prozess finanzieren, erhält dafür ein TV-Ticket, erste Reihe fußfrei. Wir dürfen dann die geschlossene Tür eines Gerichtssaales bewundern, vor der die Reporter herumlungern und die politisch gefärbten Befehle ihrer Chefredakteure abwarten.
Einer für Alle … oder “eins für alles”:
Noch eins zum „Logo-Wucher“den die Wiener Fachgruppe für Werbung so verteidigt:
Jedem echten Kreativen ist doch klar, dass man im Falle eines Logo Designs alle bekannten Medien berücksichtigt. Von der Website über Autobeschriftung bis zu riesigen Werbeschildern muss alles damit gehen.
Die Kammer erweckt den Eindruck, dass die Designer des 400.000 Euro Kreises persönlich jedes Briefpapier händisch bemalt hätten und die Websites auch gleich mit gebastelt hätten.
ZB. drückte man mir mal eine zerknitterte Visitenkarte in die Hand: “Mach ein Logo draus”
Zur meiner Chefin meinte er: “Brauche es nur für Briefpapier” …
Damals, noch ohne digitale Helfer musste das unkenntliche Zeichen darauf mittels Reprografie und unzähliger Durchgänge händischer Retusche optimal vergrößert und reproduziert werden. Ich erstellte solche Sachen aber wie immer so, dass man das Ergebnis einwandfrei auf ein Hochhaus kleben hätte können.
Bei der Abholung meinte der Kunde “ach wissens, ich will es auch auf meine LKW drucken“. Alles klar!?
Weitere Beispiele
ORF ReDesign’s
Irgendwann in den 90er Jahren wurde dem ORF das ovale Design zu langweilig und man ließ es von einem damals voll angesagten Star-Designer eckig machen.
2011 hieß das schon neudeutsch “Rebranding”, als man ORF “1” zu ORF “eins” umgestalten ließ.
2019 sollte wieder die Ziffer “1” den ersten Kanal zieren, doch die beiden Agenturen machten einen undefinierbaren Haken, der eher wie eine “7” anmutet – um angebliche 100.000 €.
Das Ei des Stark
Stark war auch der Auftritt des gleichnamigen Star-Designers, der irgendwann damit auffiel, dass ihn unzählige Konzerne der Unterhaltungsindustrie engagierten. Also die Hersteller von “Braunware“, wie wir damals zu TV, Hifi, Radios usw. sagten. (Ich war zu der in einem Laden für sowas tätig)
Der “Star” inspirierte die Entwickler von Radios, Cassettendecks, Plattenspielern, Verstärkern, Fernsehern usw. die normalerweise relativ kantigen Dinger in Eier zu verwandeln. Die Folge: Kaum ein Gerät blieb vom Eier-Coup verschont, jede Marke musste was herausbringen, was buchstäblich herumeierte.
Es war der letzte Coup einiger bekannter Audio-Hersteller, denn zum Künstler-Honorar kam der Verlust in den Läden …
Schutzring
Vor kurzem erschuf ein Esoteriker um 95.000 € einen Schutzring um das KH-Nord. Der aber nicht vor so manchen strukturellen Problemen schützte.
Das Geld Wiener Steuerzahler war also im unergründlichen Brunnen der Politik versickert, aber die verantwortlichen Personen sind in umgekehrte Richtung in höhere Posten aufgestiegen …
EU geförderte Website
2013 hat die EU eine Internetseite mit ca. 60.000 € unterstützt. Dabei wurde die furchtbar dilettantisch gemachte Seite mit einem tatsächlichen Aufwand von 60 Dollar aus Trümmern einer Gratis-Software zusammengenagelt. Insgesamt rechnete man der Förderstelle aber fast 120.000 € Erstellungskosten vor …
PS: Versucht mal, eine Website außerhalb politischer Kreise fördern zu lassen: Keine Chance!
Es gibt ja nicht mal Presseförderung für Online-Magazine, bzw. Zeitungen … Nur die Totholzmedien mit höflicher Hofberichtserstattung bekommen diese seit 1975.
Marke Stadt Wien
Deren Redesign um fast 600.000 € schockierte viele Designagenturen (die halt nicht zum Zuge kamen, gell). Branchenkenner bewertete den Relaunch aber als misslungen, trotz Honorare der “Luxusklasse“. Doch die haben weit mehr als einen Kreis gemalt oder runde Logos eckig designt, wie der Bericht vom Standard zeigt.
Digitales Amt
Das “Amt der Zukunft”, www.oesterreich.gv.at spielt in einer eigenen Liga, was die Kosten angeht: Wie die Futurzone berichtet, kostete es bislang mehr als 7,4 Millionen Euro! Wer seit der Erfindung des WWW damit arbeitet, sieht sofort, dass hier bestehende E-Government Plattformen zusammengelegt wurden und ein responsives Design-Hauberl um 1,2 Mille (!) drüber gestülpt wurde.
Dazu verrechnete man noch 1,3 Mio für ein Login-System und 3 Mio. kostete die App und für Tests und Kontaktmöglichkeiten nochmal 300.000 €.
Die NEO’s kritisierten zu Recht, das hier nur ein kleiner Teil tatsächlich neu erstellt wurde und man zeigt die Mängel des “neuen” digitalen Amtes auf.
Ich meine: Würde so ein Auftrag außerhalb politischer Einflussnahme vergeben, müsste eine kleine Webdesigner Firma so was um ein paar Tausender in einer Woche realisieren. Und der kleine Programmierer würde für jede Panne bestraft werden …
NEXT IT Chaos: AMS?
2017 schrieb ich einen der beliebtesten Artikel dieses Onlinemagazins: Fast eine Mio Leser wissen seither, wie IBM seit 2014 beim AMS Jobroom versagt.
Was wir noch nicht wissen: Wie groß wird dieser IT-Skandal, wenn er komplett auffliegt?