Kickl spricht von Test-Apartheid und unverhältnismäßigem System der Willkür

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Heftige Debatte im Nationalrat über dritten Lockdown und Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria; Misstrauensantrag der FPÖ in der Minderheit.

Corona existiert für Flüchtlinge und deren Helfer nicht.

Unsere Leute, trotz Maßenarbeitslosigkeit immer mehr Schikanen.

Mehr als 20.000 Menschen verloren allein im Advent ihre Arbeit.

Heute, Demonstration für Flüchtlingsaufnahme, als würde es Corona nicht geben, dass darf sein? Wirte dürfen aber nur getestete Leute als Gäste aufnehmen, verzweifeln immer mehr.

Corona Regeln werden für einheimische immer absurder, hingegen meint BP: Haben genug Platz für Moria Flüchtlinge.

Kirche fordert Aufnahme von Flüchtlingen

Mit einer Dringlichen Anfrage der Freiheitlichen zum Thema “Freiheit und Selbstbestimmung statt Massentest und Hausarrest” fand das politische Match zwischen FPÖ-Klubobmann Kickl und Bundeskanzler Kurz in der heutigen Sondersitzung des Nationalrats seine Fortsetzung. In den insgesamt 55 Fragen wurde nicht nur Kritik an den Massentestungen laut, die nach Ansicht der Freiheitlichen gescheitert seien, sondern vor allem an den geplanten “diktatorischen Maßnahmen” im Zuge des dritten Lockdowns. Da Kurz das israelische Modell gelobt habe, werde es auch auf Zwangsimpfungen hinauslaufen, war Kickl überzeugt. Da das schwarz-grüne Kabinett in den vergangenen Monaten die Gesundheitskrise nicht einmal ansatzweise gelöst habe, sprachen die Freiheitlichen der gesamten Bundesregierung ihr Misstrauen aus. Ihr diesbezüglicher Antrag, der von den NEOS mitgetragen wurde, fand jedoch keine Mehrheit.

Man könne doch nicht ernsthaft glauben, dass es eine Regierung populär sehe, einen Lockdown zu verhängen, die Geschäfte zu schließen, die Hotels zuzusperren oder den Jugendlichen das Ausgehen zu verbieten, entgegnete Kurz. Solche Maßnahmen würden doch nur dann eingesetzt, wenn sie absolut notwendig seien. Man befinde sich weiterhin in der größten Gesundheitskrise seit 100 Jahren. Mit der heutigen Zulassung des ersten Impfstoffs durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) gebe es aber die Chance, dass die Menschen auf absehbare Zeit wieder ein einigermaßen normales Leben führen werden können. Je mehr Menschen sich ab dem 27. Dezember impfen ließen, desto schneller könne die Krise gemeinsam überstanden werden. Dies sei “der Anfang vom Sieg gegen die Pandemie”. Eine allgemeine Pflicht zur Impfung gegen SARS-CoV2 oder Impfungen im Allgemeinen sei, wie vielfach betont, nicht geplant.

Weiters stand die Aufnahme von Flüchtlingsfamilien mit Kindern aus Lagern von den griechischen Inseln in Form eines Entschließungsantrags der NEOS neuerlich auf der Agenda; dieser wurde von der SPÖ unterstützt. Dort müssten AsylwerberInnen seit Jahren unter unwürdigsten Bedingungen hausen, dort würden Kinder von Ratten gebissen, zeigte NEOS-Abgeordneter Helmut Brandstätter auf.

Kickl bezeichnet Kurz als “Strippenzieher der Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte”

Der Adressat der Dringlichen Anfrage sei Bundeskanzler Kurz, da er sowohl der “Strippenzieher” der Zwangsmaßnahmen als auch der “Master of Desaster” eines Zerstörungswerkes sei, das die Regierung in den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft angerichtet habe, urteilte der freiheitliche Klubobmann Herbert Kickl. Das besonders Schlimme daran sei, dass der Niedergang eines einst blühenden Landes in Kauf genommen werde, ohne dass an der Gesundheitsfront irgendwelche messbaren Erfolge erzielt würden. Der Weg durch die Corona-Krise sei zudem mit Unwahrheiten gepflastert, die von der Warnung vor 100.000 Toten, der raschen und unbürokratischen Hilfe bis hin zur grauenhaften Angstpropaganda reichten, durch die vor allem die Kinder traumatisiert worden seien. Auch von der Einhaltung des Prinzips der Freiwilligkeit sei keine Rede mehr, wenn es um die Frage der Testungen oder die Impfungen gehe.

Der Bundeskanzler könne es offenbar auch nicht verkraften, dass die Menschen einen guten Instinkt haben und deshalb nicht zu den Massentests gegangen seien. Seine gekränkte Eitelkeit sei nun zur bestimmenden Konstante des politischen Handelns geworden, folgerte Kickl. Nunmehr solle die nächste Verordnung sogar einen Hausarrest für weite Teile der österreichischen Bevölkerung vorsehen, wenn sie sich nicht “freitesten” lasse. Wie ein solches “Test-Apartheids-Modell” in der Praxis umgesetzt werden soll, sei völlig unklar. Kritik übte der FPÖ-Klubobmann zudem daran, dass es keinerlei Erklärungen dafür gebe, warum etwa die Geschäfte wieder gesperrt und die Schulen geschlossen werden müssen. Es handle sich um ein System der Willkür, das niemand nachvollziehen könne.

Ein “Zurückstutzen von Grund- und Freiheitsrechten” ortete Kickl auch im digitalen Bereich, wo Reden von Nationalratsabgeordneten z. B. von Facebook zensiert würden, weil sie nicht dem Mainstream entsprächen. “Vielleicht stecken Sie sogar dahinter?”, stellte Kickl in den Raum und wies darauf hin, dass im BKA ein digitaler Krisenstab, der sich mit Fake News befasse, eingerichtet worden sei. All dies habe jedenfalls dazu geführt, dass das ohnehin schon eingerissene Band zwischen der Bevölkerung und dem Kanzler nun endgültig gekappt wurde, zeigte sich Kickl überzeugt. Deshalb bringe die FPÖ auch einen Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung ein, der, so hoffe er, auch von der SPÖ und den NEOS unterstützt werde.

Kurz sieht Trendwende durch erste Zulassung eines Corona-Impfstoffs auf europäischer Ebene

Bundeskanzler Sebastian Kurz appellierte an die Freiheitlichen, nicht so zu tun, als gäbe es das Virus nicht. Er wünschte sich auch, dass mit der einen oder anderen Verschwörungstheorie oder Unterstellung etwas behutsamer umgegangen werde. “Man ist nicht besonders männlich, wenn man keine Maske aufsetzt. Man ist nicht besonders hart im Nehmen, nur weil man sagt, mir persönlich kann nichts passieren.” Auch wenn bei vielen Menschen die Corona-Erkrankung unproblematisch verlaufe, so gebe es einige, bei denen COVID-19 dramatische Auswirkungen habe bzw. sogar zum Tod führe. Dies mussten alle europäischen Länder zur Kenntnis nehmen, egal von welcher politischen Partei sie regiert werden, gab Kurz zu bedenken, weshalb sie zu ähnlichen Maßnahmen gegriffen haben. Er respektiere es, wenn die FPÖ andere Meinungen vertrete, etwa bei den Themen Testungen, Impfungen oder Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Im Umkehrschluss würde dies jedoch bedeuten, das Konzept “Corona für immer” zu verfolgen; dies könne doch nicht der richtige Weg sein.

In Beantwortung der zahlreichen Fragen stellte der Bundeskanzler einleitend fest, dass die Regierung seit Beginn der Pandemie intensiv daran arbeite, Österreich bestmöglich durch die Krise zu bringen. Dabei stehe nicht ein bestimmtes Menschenbild im Mittelpunkt, sondern medizinische, wissenschaftliche und wirtschaftliche Expertisen, auf deren Basis die Entscheidungen getroffen werden. Für die Bewertung der epidemiologischen Lage werden sowohl die Entwicklung der Neuinfektionen als auch die Auslastung der Kapazitäten im Gesundheitsbereich berücksichtigt. Für die jeweiligen Maßnahmen seien die Prognoseberechnungen und die Einschätzungen der unterschiedlichen ExpertInnen ausschlaggebend. So wurde unter anderem festgestellt, dass neben der Einhaltung der allgemeinen Abstands- und Hygieneregeln und der Einschränkung von sozialen Kontakten, ein regelmäßiges und breites Testen – vor allem bei bestimmten Berufsgruppen – eine der effektivsten Methoden zur Unterbrechung der Infektionsketten darstellt. Es sei aber nicht geplant, wie von den Freiheitlichen nachgefragt, Informationen über den Impf- oder Teststatus systematisch zu verarbeiten und im Sinne eines Social-Scoring-Systems Wohlverhalten zu belohnen bzw. Zuwiderhandeln zu sanktionieren. Eine allgemeine Pflicht zur Impfung gegen SARS-CoV2 oder Impfungen im Allgemeinen sei, wie vielfach betont, nicht geplant, unterstrich Kurz. Schließlich bekräftigte er gegenüber Kickl, dass es zu keinen Löschungen von User-Meldungen in den digitalen Kanälen des Bundeskanzleramts komme. Die Entscheidungen von Privatunternehmen wie Facebook, Youtube etc. seien kein Gegenstand der Verwaltung. Die MitarbeiterInnen der digitalen Kommunikation im BKA haben selbstverständlich keine Löschungen auf sozialen Plattformen angeregt und seien auch nicht über etwaige Löschungen informiert worden. Man unterstütze jedoch die Initiative auf europäischer Ebene, den Plattformen künftig mehr Verpflichtungen und

eine höhere Transparenz bezüglich ihrer Arbeit aufzuerlegen.

ÖVP appelliert an den Zusammenhalt und einen solidarischen Freiheitsbegriff

In einer Zeit, in der die ganze Welt versuche, das Virus zu bekämpfen, sollte man das Hirn einschalten und zusammenhalten, wünschte sich Werner Saxinger (ÖVP). Kein Mensch habe angesichts der Probleme ein Verständnis für Radikalpolitik und politisches Hick-Hack. Der FPÖ gehe es um Diffamierung, um Streit und um das Polarisieren. Abgeordnete Gudrun Kugler machte sich für einen solidarischen Freiheitsbegriff stark, der auf den Schutz der anderen abziele. Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass die Hälfte der Infektionen von Personen ausgehe, die keine Symptome zeigen. Außerdem seien die Infektionszahlen noch immer viel zu hoch, weshalb kurz vor Weihnachten weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen, resümierte ÖVP-Mandatar Andreas Hanger. Er verteidigte zudem die Linie der ÖVP in Sachen Moria, die auf Hilfe vor Ort setze.

Grüne werfen Freiheitlichen unverantwortliche Verharmlosung der Pandemie vor

Es liege wohl nicht so ganz im Rahmen des Denkhorizontes von Klubobmann Kickl, dass es Menschen gibt, die freiwillig und selbstbestimmt zum Corona-Test gehen, stellte Meri Disoski (Grüne) unter Bezugnahme auf den Titel der Dringlichen Anfrage fest. Generell stufte sie die Dringliche als “fiktionales Werk” ein, das mit der Realität kaum etwas zu tun habe. Darin werde auf eine völlig unverantwortliche Art und Weise eine weltweite Pandemie verharmlost, die bisher knapp zwei Millionen Menschen das Leben gekostet habe. Auch in Österreich seien bereits über 5.300 Personen gestorben, zeigten die Abgeordneten Ralph Schallmeiner und Michel Reimon (beide Grüne) auf, die überdies auf die dramatischen Verhältnisse in den Spitälern hinwiesen.

FPÖ warnt vor autoritären Tendenzen und klagt mangelnden Schutz der Alten- und Pflegeheime an

Ebenso wie Klubobmann Kickl beklagte FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch die Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte. All jene Personen, die nicht zu den Testungen gehen, würden nämlich behandelt wie “Verbrecher mit Fußfesseln”. Ihrer Meinung nach habe der Bundeskanzler, dem die BürgerInnen völlig egal seien, die Politik der letzten Monate nur auf Angst aufgebaut. Als Beispiel führte sie den mangelnden Schutz der Alten- und Pflegeheime an, in denen 40% der Todesfälle aufgetreten seien. Susanne Fürst (FPÖ) warnte davor, die COVID-Impfung als pauschalen Heilsbringer zu sehen, zumal das Virus trotzdem weiterverbreitet werden könne. Viel zu wenig werde zudem auf die zahlreichen Kollateralschäden in gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht geachtet. Es sei gerade der Bundeskanzler, der versuche, jedem Kritiker den “Aluhut aufzusetzen, um ihn als unglaubwürdig abzukanzeln”, beklagte Hannes Amesbauer (FPÖ). Seine Fraktionskollege Hermann Brückl sprach insbesondere die negativen Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf die Kinder und Jugendlichen an, wo ein “irreparabler Schaden angerichtet werde”.

SPÖ fordert qualitativere Gesetzgebung und bessere Einbindung des Parlaments

Gutes Krisenmanagement sehe anders aus, urteilte Abgeordneter Jörg Leichtfried (SPÖ), der von einer “Reihe von Pannen und Fehleinschätzungen der Regierung” sprach. Statt einer Showpolitik und unzähliger Pressekonferenzen hätte man mehr Wert auf eine qualitative Gesetzgebung legen müssen. Weil es die Regierung wieder einmal “verblümelt” habe, musste heute auch noch eine Sondersitzung abgehalten werden. Im Sinne der Solidarität mit all jenen Menschen, die jeden Tag hart arbeiten, erneuerte Leichtfried die Forderungen seiner Fraktion nach einer Millionärssteuer, einer Finanztransaktionsteuer oder einer Digitalsteuer. Seine Fraktionskollegin Selma Yildirim bezeichnete das Vorgehen der Regierung seit Ausbruch der Pandemie als kontraproduktiv, weil es von einem Spielen mit der Angst, gepaart mit Drohungen, Spaltung und Zwang gekennzeichnet sei. Österreich habe sich zudem unter der Führung des Kanzlers Kurz vom Musterknaben zum weltweiten Schlusslicht entwickelt. Was das abnehmende Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung betreffe, so könne es nicht durch Massentestungen zurückgewonnen werden. Die SPÖ fordere seit Mai eine bundesweite, ressortübergreifende Teststrategie, rief Verena Nussbaum (SPÖ) in Erinnerung, diese gebe es aber noch immer nicht. Viel mehr Klarheit und Planbarkeit brauche es auch im Bereich der Schulen, wo es ein ständiges Hin und Her gebe. Ein Versagen ortete sie auch beim Schutz der Alten- und Pflegeheime sowie beim Schutz von vulnerablen Gruppen

NEOS orten Intransparenz, Chaos und Ignoranz beim Krisenmanagement der Regierung

Abgeordneter Nikolaus Scherak (NEOS) hoffe auf eine rege Beteiligung der Bevölkerung an der Corona-Impfung, damit eine Herdenimmunität erreicht werden könne. Er wies darauf hin, dass allein durch die Masern-Impfung zwischen 2000 und 2017 21 Millionen Menschenleben gerettet werden konnten. Bedauerlicherweise gebe es einen massiven Vertrauensverlust gegenüber den politische Verantwortlichen, was seiner Einschätzung nach auf Intransparenz, Chaos und Ignoranz zurückzuführen sei. Außerdem werde das Parlament nicht ernst genommen, kritisierte Scherak, er habe deshalb auch kein Vertrauen mehr in die Regierung. Auch Martina Künsberg-Sarre sprach Bundeskanzler Kurz Führungsqualität ab, wobei sie insbesondere die ständigen Schulschließungen negativ beurteilte.

NEOS-Mandatar Helmut Brandstätter setzte sich in einem Entschließungsantrag für die “schleunigste Evakuierung” der Flüchtlinge aus den menschenunwürdigen Lagern in Griechenland ein, um insbesondere Kinder und andere vulnerable Personen aus dieser unerträglichen Lebenssituation zu holen. In Zeiten, in denen sich alle gegenseitig frohe Weihnachten wünschen, sei es “wirklich erbärmlich, einen Antrag auf Aufnahme von Kindern aus Moria abzulehnen”, meinte Josef Schellhorn (NEOS). Er setzte sich zudem für ein umfangreiches Hilfspaket für die Wirtschaft ein, das etwa einen KMU-Equity-Fonds, ein Modell der Verlustkompensation und eine deutliche Entlastung des Faktors Arbeit beinhalten müsse.

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