Stellungnahme zum Verfahren des 18-jährigen Tatverdächtigen im Mordfall

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Subsidiärer Schutz vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aberkannt – Beschwerde beim BVwG seit 2019 anhängig.

Aufgrund der medialen Berichterstattung in Bezug auf das Verfahren eines 18-jährigen Tatverdächtigen im Mordfall an einer Minderjährigen besteht ein Interesse der Öffentlichkeit an einer sachlichen Information. Das “Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl” (BFA) nimmt dazu wie folgt Stellung:

Die Prüfung jedes Asylverfahrens erfolgt im Rahmen eines umfassenden, individuellen Ermittlungsverfahrens vor dem BFA. Das Ziel des Asylverfahrens ist es, zu klären, ob die Voraussetzungen für internationalen Schutz gegeben sind oder nicht. Automatisch mitgeprüft wird dabei neben den Voraussetzungen für Asyl auch immer, ob der betreffenden Person subsidiärer Schutz oder ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zuzuerkennen ist.

A. stellte im Juli 2015 als unbegleiteter Minderjähriger einen Asylantrag in Österreich. Dieser wurde vom BFA zwar negativ entschieden, da keine asylrelevante individuelle Verfolgung festgestellt werden konnte. Ihm wurde jedoch mit Bescheid des BFA im Oktober 2016 subsidiärer Schutz zuerkannt, da er zu diesem Zeitpunkt minderjährig war.

Subsidiär Schutzberechtigte sind keine Asylberechtigten, erhalten aber einen Schutzstatus mit befristeter Aufenthaltsberechtigung. Diese befristete Aufenthaltsberechtigung wird in bestimmten Abständen überprüft und kann unter gewissen Umständen auch nicht mehr verlängert werden. Subsidiärer Schutz kann unter anderem aberkannt werden, wenn die für die Zuerkennung maßgeblichen Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der/die Fremde den Lebensmittelpunkt in einem anderen Staat hat oder etwa wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.

Bei jeder Meldung über die Straffälligkeit eines subsidiär Schutzberechtigten wird seitens des BFA eine sofortige und strenge Prüfung hinsichtlich möglicher fremdenrechtlicher Maßnahmen vorgenommen und gegebenenfalls ein Aberkennungsverfahren des Schutzstatus eingeleitet.

Nach zwei rechtskräftigen Verurteilungen wegen Suchtmitteldelikten im November 2018 und im Juli 2019 wurde vom BFA noch im Juli 2019 ein Aberkennungsverfahren eingeleitet und A. im Oktober 2019 der subsidiäre Schutzstatus aberkannt. Zugleich wurde eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot von 6 Jahren erlassen.

Zum Zeitpunkt des Aberkennungsverfahrens lagen die seinerzeitigen Zuerkennungsgründe für den subsidiären Schutz weiter vor, da A. noch minderjährig war.

Die Aberkennung erfolgte daher aufgrund der Straffälligkeit gemäß § 9 Abs. 2 Asylgesetz (Gefahr für die Allgemeinheit). In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten von Gesetzes wegen immer mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Beschwerdeverfahren kann das BVwG – bei Änderung des Sachverhalts – zu einer anderen Beurteilung kommen und die Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 Asylgesetz samt Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in eine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 1 Asylgesetz samt Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung abändern.

Im November 2019 brachte A. Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein. Das Verfahren ist bis dato beim BVwG anhängig.

BFA-Direktor Gernot Maier betont in diesem Zusammenhang: „Die Durchsetzung von Rückkehrentscheidungen bei Straffälligen hat für das BFA oberste Priorität. Wir haben in diesem Fall rasch reagiert und den Schutzstatus aberkannt. Bis zu einer Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht kann das BFA aber keine weiteren Maßnahmen setzen.“

Weiters führt Maier aus: „Die Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts ist nicht nachvollziehbar. Solange das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht noch offen ist, kann das BFA nicht abschieben. Das heißt, dass der Betroffene auch weiterhin einen subsidiären Schutzstatus in Österreich hat, solange keine Entscheidung vorliegt. Das BVwG hätte in diesem Fall gemäß §21 Abs. 2a BFA-VG von Amts wegen grundsätzlich binnen 3 Monaten entscheiden müssen“.

Im Juni 2020 wurde A. erneut straffällig und wegen räuberischen Diebstahls und eines Suchtmitteldelikts rechtskräftig verurteilt. Das BVwG wurde vom BFA nachweislich über die Verhängung der Untersuchungshaft sowie eine Urteilsausfertigung des Landesgerichts für Strafsachen Wien informiert.

Der österreichische Rechtsstaat bietet weitreichende Rechtsmittel sowie mehrere ordentliche und außerordentliche Instanzen. Die Entscheidungen des BFA unterliegen bei Beschwerdeerhebung der Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht, das – wie jedes Gericht – unabhängig, weisungsfrei und völlig eigenständig entscheidet. In bestimmten Fällen gibt es noch weitere Überprüfungsmöglichkeiten durch die ebenfalls unabhängigen Höchstgerichte (Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof). Das BFA ist an die gerichtlichen Entscheidungen gebunden und hat diese, wenn sie rechtskräftig geworden sind, umzusetzen.

In diesem Zusammenhang betont BFA-Direktor Maier abschließend: „Das BFA ist nach dem Legalitätsprinzip zur strengen Einhaltung der Gesetze verpflichtet, jegliches Handeln kann nur auf Basis der Gesetze erfolgen. Eine Verwaltungsbehörde, wie das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, kann der Entscheidung eines Gerichtes im Rechtsschutzverfahren nicht vorgreifen. Das würde den Grundsätzen der österreichischen Verfassung, wie dem Rechtsschutzprinzip, widersprechen“.

Die Sicherheitslage in Afghanistan lässt gemäß der geltenden Judikatur Rückführungen nach Einzelfallbeurteilung zu. Dabei werden jeweils aktuelle Informationen über die Situation im Herkunftsland berücksichtigt. Rückführungen nach Afghanistan sind kein österreichisches Spezifikum, sondern EU-weite Praxis. Alleine im Jahr 2021 nahm Österreich an 4 FRONTEX-Charteroperationen nach Afghanistan teil. Dabei wiesen von 52 aus Österreich rückgeführten Personen 33 Personen eine strafrechtliche Verurteilung auf, das entspricht rund 63 Prozent. Insgesamt waren im Zeitraum von Mai 2018 bis Mai 2021 rund 37 Prozent der zwangsweise außer Landes gebrachten Personen mit afghanischer Staatsangehörigkeit mindestens einmal strafrechtlich verurteilt worden.

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