Unbegründete Panikmache der Krankenkassen?

Sozial- und Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) | © Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz
Sozial- und Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) | © Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

Zahl der Träger und Funktionäre wird massiv reduziert – Fristen für geordneten Übergang in neues, schlankeres System sind notwendig

Andere sehen darin eine Gefahr der Verstaatlichung und vieles mehr. Hartinger Klein hält dies aber für Panikmache, auch durch die Krankenkassen selbst.

„Mit dem Regierungsbeschluss, das System der Sozialversicherungen zu reformieren und die Zahl der Träger und Funktionäre massiv zu reduzieren, sind natürlich auch Regelungen für die Übergangszeit notwendig“, kommentiert Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein die in den Medien kolportierte „Ausgabenbremse“ für die Sozialversicherungen.
Die legistischen Vorbereitungen für dieses große Reformvorhaben „laufen auf Hochtouren“, bestätigt Bundesministerin Hartinger-Klein. „Wir müssen rechtzeitig vorbauen, damit das aufgeblähte System nicht noch größer wird und setzen alles daran, dass nicht weitere große, finanzielle Nachteile für die Versicherten entstehen.
Das geht nur, wenn wir eine Frist setzen für Vertragsverlängerungen“, so die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz.

Ab Anfang 2019 werden daher entsprechende Übergangsgremien etabliert, die über die zukünftige Struktur und die notwendigen Verträge entscheiden werden. „Bis dahin dürfen Vertragsabschlüsse und Verlängerungen von Verträgen auf Führungsebene nur noch befristet bis 31.12.2019 abgeschlossen werden. „Wir wollen sicherstellen, dass zügig ein schlankes und effizientes Sozialversicherungssystem geschaffen wird“, erklärt Hartinger-Klein. Für die Patientinnen und Patienten werde dieses Gesetz aber keinerlei negativen Auswirkungen haben. „Die Panikmache der Krankenkassen ist völlig unbegründet. Es wird weder zu betriebsbedingten Kündigungen aufgrund der Strukturreformen kommen. Und es wird auch zu keinen Versorgungsengpässen kommen. Es wird durch die Reform zu keinerlei Leistungskürzungen für die Patientinnen und Patienten kommen“, beruhigt die Bundesministerin.

Kritik erreicht diese Form der Politik von vielen Seiten.

NÖGKK-Hutter: Ausgabenbremse grenzt an Sabotage des Sozialstaates.

Angeordneter Innovationsstopp ist betriebsorganisatorische Katastrophe: Sparkurs bei Ärzten, Aus für qualifizierte Mitarbeiter, Aus für Kundennähe in Bezirken.

„Es bewahrheitet sich nun was wir befürchtet haben: Die Kundennähe in den Bezirken soll eingeschränkt werden.
Anstehende Bauprojekte der NÖGKK müssen auf Eis gelegt werden.
Für Nachbesetzungen finden wir kein geeignetes Fachpersonal mehr, wenn jeder qualifizierte Arbeitsplatz ein Ablaufdatum im Jahr 2019 hat. Das ist eine betriebsorganisatorische Katastrophe“, zeigt sich Gerhard Hutter, Obmann der NÖ Gebietskrankenkasse, empört angesichts der gestern von den Regierungsparteien und den NEOS beschlossenen gesetzlichen Ausgabenbremse in der Sozialversicherung.

  • Anstehende Bauprojekte werden auf Eis gelegt
  • Kundennähe fällt weg
  • Keine Nachbesetzungen mehr
  • An Fachpersonal wird weiter gespart
  • Ablaufdatum für Arbeitsplätze

Die NEOS haben auch hier mit TÜRKIS/ BLAU mit gestimmt.

Konkret heißt es, dass die NÖGKK, so wie alle anderen Versicherungsträger, betreffend Bauwerke nur eine laufende Instandhaltung beschließen dürfen.
Das bedeutet mit einem Schlag das Aus für anstehende Neubauten wie die Service-Center in Horn, Neunkirchen und Waidhofen a. d. Ybbs. Sogar der bereits beschlossene Bau des Service-Centers in Pöchlarn könnte gefährdet sein, fürchtet der Kassenobmann.
Diese Entscheidung ist ein Frontalangriff auf die NÖGKK-Versicherten, die – vom Waldviertel bis zum Semmeringgebiet – ihre Bezirksstelle in der Region haben.
„Unser Klientel sind Kranke, junge Mütter mit ihren Babys oder Menschen, die Rat und Hilfe brauchen – für die schafft man jetzt eine Barriere in Form von langen Anfahrtswegen“, so Hutter. Unverständlich sei auch, dass „wir von unseren Ärzten und anderen Barrierefreiheit verlangen.
Und wir künftig diese Barrierefreiheit in unseren eigenen Häusern nicht mehr umsetzen dürfen.“ Denn ein Hauptgrund für einen Neubau von NÖGKK-Service-Centern ist die mangelnde Barrierefreiheit der alten Häuser, die zum Teil noch aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts stammen. „Da geht’s nicht um Glaspaläste, sondern einfach um kundengerechte Zweckbauten vor Ort.“

Arbeitsplätze und Wertschöpfung in NÖ gehen verloren

Ein nicht unwesentlicher Nebenaspekt beim Baustopp trifft die heimische Wirtschaft. Denn bisher hat die NÖGKK – wo immer das rechtlich möglich war – heimische Unternehmen im Rahmen des Bauwesens beauftragt.
Damit bleibt nicht nur die Wertschöpfung im Land, es sichert auch nö. Arbeitsplätze und stärkt die regionale Wirtschaft. Ganz abgesehen davon, dass damit auch die Sozialversicherungsbeiträge der heimischen Betriebe der NÖGKK zu Gute kommen. Der SV-weite Baustopp gefährdet Arbeitsplätze in Österreich und schwächt die regionale Wirtschaft.

Gute Arbeit der Mitarbeiter verunglimpft

Eine betriebsorganisatorische Katastrophe mit direkten Auswirkungen auf Kunden, Vertragspartner und andere Stakeholder ist der im selben Gesetz angekündigte Nachbesetzungsstopp von Führungskräften sowie der völlige Aufnahmestopp von Personal.
Damit wird einerseits verhindert, dass sich hochqualifizierte Fachleute bewerben, andererseits wird die Kasse gezwungen, auf Notbetrieb umzuschalten.
Denn alle zeitintensiven Beratungen von Kunden und anderen Partnern, persönliche Betreuung von Schwerstkranken durch Case Manager oder gesundheitsfördernde Programme können bei einem zwangsreduzierten Personalstand nicht mehr angeboten werden. „Jeder Volksschüler kann sich ausrechnen, dass sich die Betreuung von heute in Zukunft nicht mehr ausgehen und das Service schlechter werden wird. Tatsächlich werden sogar in einigen Bezirken Service-Center geschlossen werden müssen“, gibt Hutter zu bedenken. „All das, was die Niederösterreicher an der NÖGKK so schätzen, wird verloren gehen. Für Patienten und Versicherte bedeutet das längere Wegstrecken, längere Wartezeiten am Schalter und am Telefon, längere Bearbeitungszeiten und weniger persönliche Betreuung.“

Ärzte bekommen monetäre Daumenschrauben

Die Katze aus dem Sack hat die Regierung auch bezüglich ihres „Sparprogrammes“ für eine ärztliche Versorgung gelassen. Die Kassen werden gezwungen, bei den Vertragsverhandlungen mit den Ärzten monetäre Daumenschrauben anzulegen – dies kann nur eine Verschlechterung bei der ärztlichen Versorgung nach sich ziehen. Ganz zu schweigen davon, dass es vermutlich verfassungswidrig ist, wenn die Selbstverwaltung ein Vorab-Vetorecht bei den anstehenden Honorarverhandlungen mit der niederösterreichischen Ärzteschaft durch das Ministerium bekommt. „Die Politik will offensichtlich einen harten Sparkurs bei den Ärzten. Das halten wir in der aktuellen Situation für ein völlig falsches Signal“, so der Kassenobmann. Ob die niederösterreichische Ärzteschaft das so hinnehmen wird, sei dahingestellt.

Der quasi auf einem Nebenschauplatz – dem Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz – betriebene Kahlschlag des österreichischen Gesundheitswesens könnte weitreichende Auswirkungen auf den ganzen Sozialstaat haben. „Wir sind der Maschinenraum des Sozialstaates, wenn wir stehen, steht Österreich. Aber statt dass die Regierung diesen wartet und mit Öl schmiert, wirft man Sägespäne in den Maschinenraum – bis er irgendwann explodiert!“, ist Gerhard Hutter entsetzt. „Die Ausgabengrenze grenzt an eine Sabotage des Sozialstaates.“

Quelle

Anderl: Ausgabenbremse für Sozialversicherung ist verfassungsrechtlich bedenklich und geht zu Lasten der Versicherten

Hier mehr dazu

Überfallsartig mit einem Abänderungsantrag in zweiter Lesung wurden massive Änderungen für die Sozialversicherung beschlossen.
„Das sind verfassungsrechtlich bedenkliche Eingriffe in die Selbstverwaltung.
Und die beschlossene Bremse blockiert vor allem auch die Versorgung mit qualitativ hochwertigen Leistungen. Das bekommen letztlich die Versicherten zu spüren und das ist ungeheuerlich“, kritisiert AK Präsidentin Renate Anderl.

Die Eingriffe betreffen nicht nur die Wiederbestellung von leitenden Angestellten und ÄrztInnen oder Bauvorhaben der Versicherungsträger, die bis Ende 2019 nur mehr zur Instandhaltung und Instandsetzung zulässig sind. Es sind auch die Leistungen der Versicherten betroffen: Ein Abschluss von Gesamtverträgen mit den Vertragspartnern ist bis Ende 2019 nur mehr mit einer Steigerung der prognostizierten Beitragseinnahmensteigerung zulässig. Die anderen im Gesetz angeführten Kriterien wie der Stand der ärztlichen Wissenschaft, die qualitativ hochwertige Versorgung und die demografische Entwicklung dürfen in dieser Zeit keine Rolle spielen.

Das schreibt der Standard

 

 

 

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