Das Lied vom Henkersbaum

Was steckt hinter "The Hanging Tree"?

Was steckt hinter dem Lied vom Henkersbaum?
Seine Äste haben viele Namen, aber man sollte die Wurzeln des Hasses kennen ... | cocoparisienne / Pixabay

Dieser Tage laufen wieder die “Tribute von Panem” Teile im TV. Mich macht an der gesamten Filmreihe nur eins nachdenklich: Das Lied “The Hanging Tree” aus dem vorletzten Teil, Mockingjay, Part 1.

Man muss diese Teenie-Schlachtplatte ohne tieferen Sinn nicht mögen, immerhin ist man der Zielgruppe längst entwachsen. Aber viele Kinobesucher verließen 2014 den Saal mit einem Ohrwurm: “The Hanging Tree“.

Fans der Panem Reihe wissen, was es mit dem mystischen Lied, welches zu deutsch übersetzt “Das Lied vom Henkersbaum”, auf sich hat. Das Lied hat Mr. Everdeen seiner Tochter Katniss beigebracht. Später hat ihr aber ihre Mutter verboten, “The Hanging Tree” zu singen.
Sie singt es erstmals wieder beim Besuch des zerstörten Distrikt 12. Daraufhin wird der Song zur Hymne der Revolution …

Es gab danach und bis heute viele Interpretationen, manche sangen es, mehr oder weniger gut auf YouTube nach. Andere versuchten die Originaltexte richtig zu übersetzen, doch die Meinungen gehen auseinander. Jeder kann sich seine Gedanken dazu machen und seinen eigenen Sinn darin sehen.

Meine Version vom Henkersbaum

Für mich bedeutet es, dass einem zu viele Menschen viel zu schnell mit dem Henkersbaum kommen. Oft ist man in Konfliktfällen nicht bereit, den Schmerz des anderen zu verstehen, nein man rät den Streitgegner, sich aus dem Leben zu entfernen um seine Ruhe zu haben.

Man forscht nicht nach den Gründen, nach den Auslösern des Schmerzes der Mitmenschen, warum auch? Und man ist überzeugt, selbst niemals auch nur einen Teil der Schuld zu haben.

Zum Streiten gehören immer mindestens zwei und jeder Konflikt hat einen Ursprung.
Irgendjemand hat angefangen” ist eine Schulweisheit aus dem Kindergarten. Doch wenn keiner bereit ist, die Wurzeln des Henkersbaums zu sehen, wird es kein gutes Ende nehmen.
Kein gutes Ende, weil nicht jeder erträgt Anfeindungen ewig, vor allem wenn sie nicht begründet sind. Ob es nur eine Streiterei über den Zaun hinweg ist oder Kriegsherren die Mauern bauen, es gibt immer Auslöser.

Aber man kann nicht immer wie im Film zurückschlagen, dies wäre Anarchie wie eben bei den Hunger-Spielen oä. höchst beliebten Filmen.

Wir haben eine Gewaltenteilung zwischen Legislative, Judikativ und Exekutive und haben den Gesetzen zu folgen. Wir können/dürfen nicht den flammenden Pfeil auf Mitmenschen abschießen, die uns Böses wollen oder die uns gar aus dem Weg haben wollen.
Meist muss man die hinterhältigen oder offen ausgetragenen Anfeindungen einfach aushalten, denn die Methoden der Filmhelden sind im wahren Leben nicht gerne gesehen.

Jedes Femegericht hatte solche Bäume

Im sog. “Wilden Westen” stand an jeder Ecke ein solcher Henkersbaum. Man hielt die, ab dem 14. Jahrhundert allseits beliebten Femegerichte ab und schnell baumelte der Verdächtige am Natur-Galgen. Ohne echte Beweisaufnahme, ohne Ermittlungen, ohne das der Delinquent sich verteidigen durfte.
Ja, im Film kommt der Held vorbei und schießt den Strick des Opfers durch und man reitet davon.

In unserer Zeit und Örtlichkeit ist ein Auf und Davon oft nicht möglich, man muss sich all dem stellen, es kommt auch kein Held vorbei um einen zu retten. Ja, oft ist nicht einmal der engste Partner in der Lage zu helfen, auch der kann eigene Probleme haben oä.
Manchmal verlassen die Ratten das sinkende Schiff und selbst bezahlte Helfer streichen die Segel weil sie auch nur die schwammigen Gesetze als Geschütz haben.
Gesetze die Täter schützen und Opfer bestrafen gibt es ja genug.

Aber nun sollte man diese Femegerichte in der dunklen Vergangenheit lassen und nicht versuchen, sie im Heute zu installieren …

Wir sind weder Gandhi noch Katniss

Die “Tribute von Panem” Reihe wurde als “höchst wertvolles Kinder- und Jugendbuch” bezeichnet, ungeachtet all der grausamen und oft verworrenen Szenen schauen sich Millionen Kinder diese Filme an und die Erwachsenen kaufen diese auch noch und machten sie so zum Blockbuster.

Doch ob solche “wertvollen” Bücher die Jugend zu Menschen heranzieht, die auf den Dialog statt dem Monolog der Gewalt setzen? Sicher, man darf sich nicht alles gefallen lassen, Unterdrückung gebiert Rebellion und eines Tages offenen Kampf.
Aber: Man muss doch zwischen dem “sich alles gefallen lassen” und dem “Auge um Auge, Zahn um Zahn” Prinzip eine Mitte finden können, oder?

Wie zum Streit mindestens zwei gehören, ist dessen Beilegung unmöglich, wenn nur EINE Partei das Kriegsbeil begräbt. Wenn andere meinen, ihre Ruhe und ihre Besitztümer nur dadurch schützen können, in dem sie ihren Krieg alleine weiterführen, dann ist kein Mittelweg in Sicht.

Die Äste des Henkersbaums haben viele Namen

Einer der stärksten Äste des Henkersbaumes ist das Vorurteil. Man schlichtet die Mitmenschen in Schubladen, ohne die wahre Intention hinter deren Handeln oder Lebensweise zu kennen. Man verurteilt andere zu Sozialschmarotzern, Betrügern oder Verleumdern ohne einen Beweis zu haben. Denn der Wind der Gerüchte lässt diese Äste gehörig aufschaukeln.

Gewisse Leute glauben zu wissen das jeder, der nicht zum Kreis ihrer Arschkriecher gehört, ein Feind ist. Sie glauben zu wissen wie man der Umwelt schadet, wie man lebt, wie man arbeitet. Dabei ist das Höchste beim Glauben eben der Arsch.

Apropos Glauben: Tatsache ist, die meisten Menschen halten sich für tolerant, hilfsbereit, mitfühlend – sie spenden, lindern (weit entfernte) Not. Doch in Wahrheit übersieht man den Schmerz der Nächsten an dem man ev. mit Schuld hat. Verständnis für das Verhalten der Mitmenschen hat man nur dann wenn man mit diesem ultra-toleranten Habitus oder Duktus auch Schulterklopfen erntet.

Der Henkersbaum hat noch tausende Äste, welche die Namen schlimmer Eigenschaften tragen, man könnte noch lange über Neid, Missgunst, Lüge usw. schreiben.

v1: 31.10.17
v2: 19.11.18