Sozialversicherung: VfGH am Wort

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Sozialversicherung – Schumann: „Hoffe, dass VfGH Klarheit in den ÖVP-FPÖ-Pfusch bringt“

Ab heute prüft der Verfassungsgerichtshof, ob die türkis-blaue Zerschlagung der Krankenkassen dem Verfassungsrecht widerspricht. „Die SPÖ-Bundesratsfraktion hat im März einen Antrag auf Prüfung des Gesetzes durch den VfGH eingebracht. Wir sind zuversichtlich und hoffen, dass der Verfassungsgerichtshof in den nächsten Wochen Klarheit in diesen türkis-blauen Pfusch bringt.
Denn es wird ohne Not eine gut funktionierende Gesundheitsversorgung aufs Spiel gesetzt, nur damit künftig Arbeitgeber in der Krankenversicherung der ArbeitnehmerInnen den Ton angeben können“, so die Vorsitzende der SPÖ-Bundesratsfraktion, Korinna Schumann, am Dienstag gegenüber dem SPÖ-Pressedienst.

Aus Sicht der SPÖ ergibt sich die Verfassungswidrigkeit in mehreren Punkten: So widerspreche die Kassenfusion dem vorgeschriebenen Effizienzgebot nach Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit, denn die Fusion der neun Kassen ist betriebswirtschaftlich nachteilig und bringe den Versicherten nichts. Außerdem halte die SPÖ die Parität zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern für nicht verfassungskonform. „Denn Dienstgeber sind in der Krankenkasse der Dienstnehmer Außenstehende, weil sie dort weder krankenversichert noch leistungsberechtigt sind“, so Schumann.

Auch soll mit dem Gesetz nach Sicht der SPÖ ein verfassungswidriger Eingriff in die Selbstverwaltung legitimiert werden. Denn fast alle Personal- und Geschäftsführungsbefugnisse gehen weg von den demokratisch legitimierten Funktionären hin zu den von türkis und blau eingesetzten Angestellten. Und die Beitragsprüfung geht von der Sozialversicherung hin zu den Finanzämtern; das ist eine massive Schwächung, denn die Finanz prüft nicht, ob Beschäftigte korrekt angemeldet, eingestuft und bezahlt werden. „Es ist somit nicht mehr in der Hand der Selbstverwaltung ihre Einnahmen selbst zu prüfen, das ist aber ein wesentliches Element der Selbstverwaltung“, erklärt Schumann.

Weiters wurde mit dem Gesetz der Hauptverband zum Dachverband und die Mehrheitsverhältnisse im neuen Dachverband so gestaltet, dass die VertreterInnen der sieben Millionen ÖGK-Versicherten überstimmt werden können. „Damit können ganz leicht gegen ihren Willen Selbstbehalte eingeführt werden“, warnt Schumann.

Als „größten Fake überhaupt“, bezeichnete Schumann die von ÖVP/FPÖ versprochene ‚Patientenmilliarde‘, die den PatientInnen zu Gute kommen sollte. Wie Gutachten bestätigen, dürfte das Gegenteil der Fall sein: Die Fusion verursacht noch nicht bezifferbare Kosten, die zu einem hohen Defizit der Kassen führen werden. Die Folgen sind schlechtere Kassen-Leistungen für die Patienten. „Wir hoffen sehr, dass dies noch gestoppt werden kann“, so Schumann.

Bundesarbeitskammer beantragt Gesetzesprüfung zu SV-Umbau beim Verfassungsgerichtshof

Aus AK Sicht ist paritätische Besetzung der Gremien verfassungswidrig.

152 Seiten (inklusive Anhang) stark ist die Beschwerde, die Bundesarbeitskammer, Arbeiterkammer Wien und ein Versicherter beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) eingebracht haben. Mit der Klage soll der Umbau der Sozialversicherung (SV) zurück an den Start geschickt werden. Denn aus Sicht der AK sind mehrere Punkte verfassungswidrig: Bekämpft werden etwa die paritätische Besetzung der Gremien und der neue Eignungstest. Auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht erscheint die Zusammenlegung nicht ratsam – wie ein vor kurzem vorgestelltes Gutachten von Professor Otto Krickl vom Institut für Organisation und Institutionenökonomik der Uni Graz zeigt: Fusionskosten werden massiv unterschätzt, Effizienzpotenziale aufgrund schwerster methodischer und rechnerischer Fehler massiv überschätzt.

„In der neuen Struktur werden die Vertreter der ArbeitnehmerInnen keine Möglichkeit haben, die Fehlentwicklungen dieser nicht ausreichend vorbereiteten Fusion im Interesse der Versicherten zu beeinflussen“, sagt AK Direktor Christoph Klein. „Die Arbeitgeber sind selbst nicht in dieser Kasse versichert, ihr Interesse ist, die Kosten gering zu halten und Geschäfte zu machen: Sei es durch den Verkauf von Medikamenten oder anderen Produkten, sei es durch Privatisierungen von Gesundheitseinrichtungen. Für die versicherten ArbeitnehmerInnen bedeutet die neue Struktur, dass die Leistungen verschlechtert oder dass Selbstbehalte eingeführt werden können.“

Die RechtanwältInnen der Kanzlei Freimüller / Obereder / Pilz zeigen in der Beschwerde im Auftrag der AK deutlich die Probleme, die sich durch die neue Struktur in der Verwaltung der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) ergeben. Der Verwaltungsrat der ÖGK setzt sich künftig zur Hälfte aus Vertretern von ArbeitnehmerInnen und Arbeitgebern zusammen. Bisher waren im Vorstand der Gebietskrankenkassen die ArbeitnehmerInnen stärker vertreten. Auch in der Pensionsversicherungsanstalt verlieren die ArbeitnehmerInnen an Einfluss. Dadurch ist die Gewichtung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen undemokratisch zu Lasten der ArbeitnehmerInnen verzerrt. Dieses Ungleichgewicht in den Verwaltungskörpern bewirkt eine schwerwiegende Verschiebung der Einflussmöglichkeiten zum Nachteil der ArbeitnehmerInnenvertreterInnen. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Mitwirkung und Repräsentation der Interessen der ArbeitnehmerInnen wird aus Sicht der AK verletzt.

„Die radikale Verkleinerung der Gremien führt zu Verzerrungen bei der Repräsentation der Versicherten durch ihre Versicherungsvertreter und zu einer unzureichenden Berücksichtigung der Ergebnisse der Arbeiterkammerwahlen in der Selbstverwaltung der Sozialversicherung“, heißt es in der Beschwerde. Denn künftig wird die demokratische Legitimation der Verwaltungsorgane fehlen.

Dazu kommt: Es gibt keine Rechtfertigung durch die Beitragsleistung für die Besserstellung der Arbeitgeber, denn deren Beiträge machten lediglich 28,9 Prozent des gesamten Mittelaufkommens in der Krankenversicherung nach dem ASVG aus. Weiters wurde zwar rechtlich eine Differenzierung in einen Versichertenbeitrag und einen Arbeitgeberbeitrag vorgenommen. Wirtschaftlich betrachtet unter Zugrundelegung einer historischen Interpretation stellen die Gesamtheit der Versichertenbeiträge jedoch einen Anteil am Lohn des Arbeitnehmenden dar, welcher an die Sozialversicherung fließt. Daraus resultiert, dass es die Beiträge des Arbeitnehmenden sind, die in Form des Versicherten- und Arbeitgeberbeitrages an die Sozialversicherung geleistet werden und dort verwaltet werden.

„Das Österreichische Gesundheitssystem zählt noch immer zu den besten weltweit, auch wenn es manche gerne schlecht reden“, sagt AK Direktor Christoph Klein. Stabile und verlässliche Strukturen sind gerade deshalb so wichtig, weil das Gesundheitswesen vor großen Herausforderungen steht: Österreich muss mit dem medizinischen Fortschritt mithalten, alle Versicherten sollen daran teilhaben können und die bestmögliche Versorgung erhalten. Die Fortschritte in der Medizin und in der Pflege sind rasant. „Die Gesundheitssysteme müssen damit Schritt halten, ebenso wie das Personal, damit die Patientinnen und Patienten die beste Behandlung bekommen.“

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