Weihnachtsgeschäft abgesagt?

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Für Tirol sehe ich schwarz”, sagte gestern Abend der Tourismusexperte Mike Peters von der Universität Innsbruck. Wie Handel und Tourismus aus der Krise kommen, besprachen die Wirtschafts- bzw. TourismussprecherInnen der fünf Parlamentsparteien am Diskussionstisch im Dachfoyer der Wiener Hofburg: Erwin Angerer (FPÖ), Elisabeth Götze (Grüne), Christoph Matznetter (SPÖ), Sepp Schellhorn (NEOS) und Karl Schmidhofer (ÖVP). Als Experten kamen zu Wort: Josef Baumgartner vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) zur Perspektive Handel und Mike Peters vom Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus der Universität Innsbruck zum Bereich Tourismus. Durch die Sendung “Politik am Ring” führte wieder der ehemalige ORF-Zeit-im-Bild-Moderator Gerald Groß.

Nach mehr als zwei Wochen des Lockdowns durfte der Handel am 7. Dezember wieder aufsperren. Zwar sollten die Hilfspakete der Regierung das Schlimmste verhindern, doch viele Unternehmen fürchten, dass das Weihnachtsgeschäft 2020 de facto nicht stattfinden wird, denn die zweiwöchige Schließung des Handels vor Weihnachten und ein Verbot der Sonntagsöffnung seien nicht mehr aufholbar, so die Meinung vieler Unternehmer. Der Online-Handel hingegen legt weiterhin massiv zu, während der stationäre Handel Verluste schreibt.

Vergleich Lockdown I und Lockdown II: Gewinner und Verlierer

Für Josef Baumgartner vom WIFO ist derzeit kein Ende der Wirtschaftskrise abzusehen. “Auch das nächste Jahr ist noch unsicher, denn es ist noch nicht klar, wie sich die Impfungen auswirken werden”, sagte Baumgartner. “Daher ist die Hoffnung, die da und dort geäußert wird, möglicherweise übertrieben.” Der Vergleich zwischen dem ersten Lockdown im Frühjahr und dem zweiten im Herbst zeigt gravierende Unterschiede: Während beim ersten Lockdown der Tiefpunkt der Verluste Mitte April mit knapp 25% unter dem Vorjahreswert lag, waren es im Herbst im Vergleichszeitraum minus 15%. Verantwortlich dafür waren Baumgartner zufolge die Sachgütererzeugung und die Bauwirtschaft. Sie standen während des ersten Lockdowns still, im zweiten Lockdown nicht.

Beim Handel gab es laut Baumgartner eine starke Verlagerung in den Onlinehandel. Baumgartner sagte, dies sei problematisch, denn die Wertschöpfung bleibe hier nicht in Österreich. Profitieren würden Online-Riesen wie Amazon und Zalando. “Sie haben massiv Marktanteile gewonnen – und sie werden sie auch nach der Krise kaum mehr verlieren”, unterstrich Baumgartner. Verlierer sei der stationäre Handel. Vor allem die Bekleidungsbranche schrieb 2020 massive Verluste und auch durch den Sommerschlussverkauf konnte dies nicht mehr aufgeholt werden. Zu den Gewinnern zählten Produkte, die eine lange Lebensdauer haben und saisonal nicht abgewertet werden, wie beispielsweise Möbel und Elektronikprodukte. Hier wurden in diesem Jahr vermehrt Käufe für die nächsten Jahre getätigt.

Baumgartner hob auch soziale Aspekte der Krise hervor: “Wenn in einem Haushalt zum Beispiel zwei Personen arbeitslos geworden sind, dann tut sich eine große finanzielle Lücke auf”, erläuterte der WIFO-Experte. “Wenn aber Menschen im Homeoffice arbeiten und nicht so viel Geld ausgeben, dann liegt viel Geld auf der hohen Kante, das erst später ausgegeben werden kann.”

Die Krise im Tourismus: Unterschiede in der Sommer- und Wintersaison

Geplant ist, dass Anfang Jänner auch Schilifte ihren Betrieb wieder aufnehmen. Doch die Freude darüber hält sich bei vielen Unternehmern in Grenzen, denn Hotels und Gastronomieeinrichtungen bleiben weiterhin geschlossen. Und ob in dieser Wintersaison überhaupt noch Touristen kommen werden, steht in den Sternen. Für Mike Peters von der Universität Innsbruck führen die aktuellen Vorgaben zu großer Frustration bei Hoteliers, RestaurantbesitzerInnen und LiftbetreiberInnen. “Für die Gastronomieist das schwer zu managen und völlig unwirtschaftlich, denn die Planbarkeit ist ein zentraler Faktor”, erwog Baumgartner. “Hotels können nicht umgehend auf neue Erleichterungen reagieren, denn das Personal ist nicht immer sofort verfügbar.” Für Peters ist die Wintersaison nicht mehr zu retten, eine geringe Hoffnung sieht Peters noch für die Monate März und April. Für das Bundesland Tirol allerdings sehe es schlecht aus, so Peters.

Langfristig sieht der Tourismusexperte eine Depression für die Branche, denn die Motivation, hier zu arbeiten würde weiter sinken. Die Übernahme von Familienbetrieben durch die Nachfolgegeneration stehe bei länger andauernden roten Zahlen ebenfalls auf der Kippe.

Zukunftsperspektive für Familienbetriebe

Die Zukunftsperspektiven seien allerdings wieder besser, erklärte Peters. “Der Mensch will reisen, dies zeigen auch weltweite Untersuchungen”, sagte er. Bis zum nächsten Winter sieht Peters wieder eine Erstarkung des Tourismus. Allerdings werde es eine Marktbereinigung geben, die je nach Destination unterschiedlich ausfallen werde. Für die aktuelle Wintersaison gebe es keine Gewinner und Verlierer; das sei im Sommer anders gewesen. Als Gewinner könnten nur jene bezeichnet werden, die weniger Verluste gemacht hätten. Ein positives Bild entwirft Peters für Familienbetriebe: Hier sei der Zusammenhalt stark gewachsen.

Sepp Schellhorn (NEOS) hob den Unterschied zwischen Sommer- und Wintersaison hervor. Der Wintertourismus könne nicht mit dem Binnenmarkt allein abgedeckt werden. “Nur 25 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher fahren Schi.” Schellhorn, selbst Hotelbesitzer, forderte massiv Planbarkeit ein. “Die Politik muss den Mut haben und sagen, wann wir aufsperren dürfen”, betonte er. “Wir brauchen klare Fakten und Zahlen.”

Zum Imageverlust im Wintertourismus durch die Situation im Jänner und Februar des heurigen Jahres in Ischgl meinte Tourismusexperte Peters: “Wir kommen hier nicht mit zwei blauen Augen heraus, sondern mit drei. In fünf Jahren sollten wir aber wieder da sein, wo wir vorher waren.” Österreich sei gemessen an allen Alpenländern im Wintertourismus am billigsten, was sich hier als Vorteil erweisen könnte.

ÖVP: Erspartes wird nach der Krise wieder in die Wirtschaft gehen

Tourismussprecher Karl Schmidhofer (ÖVP) verwies auf das Bemühen der Regierung, den einzelnen Unternehmen zu helfen. “Wir dürfen hoffen, dass das Ersparte wieder in die Wirtschaft geht”, sagte er. “Unterstützungen wie beispielsweise der Kinderbonus stärken das Familieneinkommen. Insgesamt aber sollte nach der gesundheitlichen Krise der Konsum wieder ansteigen.” Schmidhofer verwies auch auf die Möglichkeit für ArbeitgeberInnen, mit dem steuerfreien Kauf von Einkaufgutscheinen für ArbeitnehmerInnen die Wirtschaft indirekt wieder anzukurbeln. Bei der Digitalisierung erwartet sich Schmidhofer einen Impuls. “Was den Tourismus betrifft, sind wir leider von den Reisewarnungen anderer Länder abhängig”, sagte Schmidhofer. Man werde sich mit coronaverträglichen Konzepten “drüberhelfen, aber dann liegen noch der Februar, März und April vor uns, und Österreich ist bekannt für seinen Frühjahrsschilauf”.

SPÖ: Pandemie hat Systemwandel beschleunigt

Christoph Matznetter (SPÖ) wies unter anderem speziell auf die Probleme im Buchhandel hin. “Wir haben durch die Pandemie einen beschleunigten Systemwandel”, sagte er. “Kleine Buchhändler haben schließen müssen, während Amazon liefern durfte. Das ist ein unfairer Wettbewerb.” Als “geradezu kafkaesk” bezeichnete Matznetter es, dass die Abholung von Büchern aus Buchläden nicht zugelassen worden sei. Unverständlich sei auch, dass es Branchen gebe, die keine finanzielle Unterstützung bekämen, wie etwa Reisebüros.Man müsse den Versuch unternehmen, regionale Wirtschaftskreisläufe mehr zu fördern und man könnte dabei auch soziale Komponenten mit einbeziehen, wie etwa die Beschäftigung von Lehrlingen, schlug Matznetter vor. “Uns verarmt ein Teil der Bevölkerung”, warnte Matznetter. “Erste Kürzungen treffen Pensionisten.”

FPÖ: Regierung muss “Angstmacherpolitik” aufgeben

“Diese Regierung hat auf Angst gesetzt, man hat Menschen verunsichert”, kritisierte Erwin Angerer (FPÖ). “Das hat zu einer Zweiklassengesellschaft geführt, denn es war immer viel zu bürokratisch und für Unternehmer sehr aufwändig, zu Geld zu kommen.” Es sei “alles nicht so geflossen, wie es hätte fließen sollen”. Es gebe Branchen, die massiv betroffen seien und solche, die Gewinne machten, sowie andere, die nichts bekämen, wie etwa die Zulieferer für die Gastronomie. “Lösungen brauchen ein gutes Management, das haben wir aktuell in der Regierung nicht”, betonte der Oppositionspolitiker. Angerer wies darauf hin, dass “keine einzige Gesetzesvorlage von der Opposition angenommen worden ist, wie etwa der Vorschlag eines ‘Corona-Tausenders'”.

Grüne: Krise wurde bisher gut gemeistert – Priorität hat die Gesundheit

“Wir haben schneller reagiert als Deutschland, das Geld ist schneller geflossen”, unterstrich Elisabeth Götze von den Grünen. “Gastronomie und Tourismus wurden gut unterstützt.” Zum Thema Sonntagsöffnung verwies Götze darauf, dass dies die Zeit für Familien sei und internationale Studien zeigten, dass offene Geschäfte am Sonntag keine wirtschaftliche Relevanz hätten.  Priorität hat laut Götze die Gesundheit. “Nur wenn die Menschen gesund sind, hilft das der Wirtschaft.” Der Handel müsse gestützt werden; unter anderem gebe es Unterstützung für saisonale Ware, die nicht abgesetzt werden könne.

Gewinne aus vergangenen Jahren könnten mit Verlusten von heuer gegengerechnet werden. Götze sieht die Krise als Chance, denn nun könnte es von Vorteil sein, wenn die Investitionen richtig getätigt werden. “Viele wollen nachhaltiger werden und in andere Dinge investieren”, sagte die Wirtschaftssprecherin der Grünen. “Es ist jetzt möglich, neue Kunden zu gewinnen.”

NEOS: Hilfen waren chaotisch

Sepp Schellhorn (NEOS) kritisierte hingegen “chaotische Hilfsmaßnahmen”. “Die Vorgaben für die Hilfen waren schleppend und viel zu bürokratisch”, betonte er. “Viele Firmen haben nicht einmal das Weihnachtsgeld auszahlen können.” Die Diskussion um die Sonntagsöffnung sei nur deshalb wieder angefacht, weil es die Corona-Pandemie gebe, so Schellhorn.

Laut Schellhorn hätten die Unternehmer darauf vertraut, was die Regierung gesagt habe. Es habe aber eine “fatale Kommunikation” gegeben, die Hoffnung geweckt habe, wir hätten “es überstanden”. Für 2021 fehle aber enorme Kaufkraft. Vorgezogene Einkäufe würden nächstes Jahr nicht getätigt und man müsse den Unternehmen Unterstützungen zukommen lassen. Ebenso müsse der Kostenfaktor Arbeit entlastet werden. Mitarbeiter müssten mehr vom Bruttolohn bekommen. Kurzarbeit sei keine Dauerlösung, so Schellhorn.

Die nächste Sendung von “Politik am Ring” findet am Montag, dem 18. Jänner 2021 statt. Sie wird wieder live ab 21 Uhr in der Mediathek der Website des Parlaments übertragen. Alle Folgen von “Politik am Ring” sind dort dauerhaft abrufbar.

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